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Der überaus lesenswerte Lexikonbeitrag "Gegenöffentlichkeit" von Christoph Spehr für das Historisch-Kritische Wörterbuch des Marxismus, Band 5, Berlin 2002 ist schon länger auf verschiedenen Seiten online abrufbar.

Ausführliche Zitation in
a_i_d
::: alternative internet documentation / archive information documentation :::

unserer Ausführungen zum Unterschied von Medienguerilla und Kommunikationsguerilla

Moe's Blog über die Blogchronik:
weblog.PlasticThinkingOrg
am 11.2.2004
"Zur Frage ob das nun Kunst oder Politik sei äussert sich die BlogChronik der Kommunikationsguerilla - ein wie ich meine sehr lesenswertes Blog übrigens, das nebenei auch in der augenfreundlicheren RSS-Version daher kommt. ;-)

Nochmals das Thema "Medienguerilla" und die Versuche der Marketingstrategen sich das Kommunikationsguerilla-Konzept zu eigen machen.

Zunächst ein Auszug aus:
(Hier der ganze Text)

Aral-Stiftungslehrstuhl für Strategisches Marketing
Prof. Dr. Franz Liebl

"Unbekannte Theorie-Objekte der Trendforschung (XXXII):
Webvertising zwischen Datenmüll und Medienguerilla"


"In dieser 32. Folge meines Vortragszyklus' Unbekannte Theorie-Objekte der Trendforschung, die dem Webvertising gewidmet ist, möchte ich insbesondere eingehen auf den Zusammenhang zwischen Internet-Angeboten, technischen Rahmenbedingungen sowie sozialen und kulturellen Auswirkungen im angehenden Informationszeitalter. Dabei möchte ich bewußt darauf verzichten, in vage Spekulationen über die Zukunft zu verfallen. Vielmehr möchte ich Indizien aus der Gegenwart aufzeigen, gleichsam "schwache Signale", die sich offenbar zu neuen Trendmustern verdichten. Und wie in meinen früheren Beiträgen kann es allenfalls darum gehen, einige Planquadrate des zügig expandierenden Cyberspace zu kartographieren."

Die Methode, der sich der Aktivismus der 90er im Kampf gegen die virtuelle Klasse bedient, bezeichnet die Media Foundation als "Adbusting" und "Culture Jamming" (http://www.adbusters.org/adbusters/). Mit Umberto Eco (1987) könnte man das letzten Endes als "semiotische Guerilla-Kriegsführung", als eine Art Instandbesetzung kultureller Symbole sehen. Sie rekurriert auf die künstlerischen Strategien medialer Subversion, die man seit jeher in dissidenten Subkulturen als - akustisches und visuelles - Collagieren und Umcodieren des Profanen kennt: "demarketing loops" sind dabei das erklärte Ziel; die Mittel nennen sich "uncommercials", "subvertisements" und "anti-ads" (Adbusters 1996; autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe/Blissett/Brünzels 1997). Das Neue daran ist jedoch, daß die Arbeitsweise der Aktivisten sich nunmehr neuester Technologien und Werbekonzepte bedient, so daß die daraus entstehenden "subvertisements" ihren Vorbildern bzw. Zielen täuschend ähnlich sehen. (Dery 1993; Adbusters 1996; autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe/Blissett/Brünzels 1997). Dies gilt sowohl für Plakat- als auch für Fernsehwerbung. Mit anderen Worten, in den USA und in Canada gehen Aktivisten so weit, nicht nur in Zeitungen und Zeitschriften ihre Fake-Anzeigen zu schalten, sondern auch bei TV-Stationen Sendezeit zu kaufen, um ihre gefälschten Spots ausstrahlen zu lassen.

Für den Trendforscher sind diese subvertisements insofern besonders interessant, als sie nicht selten zukünftige Realität vorwegnehmen. Dies gilt nicht nur für den angloamerikanischen Raum, sondern auch für die Bundesrepublik. Hierzu ein kurzes Beispiel. Ein Satiremagazin hatte vor Jahren eine gefälschte Jägermeister-Reklame mit dem Slogan "Ich trinke Jägermeister, weil mein Dealer zur Zeit im Knast sitzt" abgedruckt und damit eine Schadenersatzforderung in Millionenhöhe provoziert (autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe/Blissett/Brünzels 1997). Später hat die darniederliegende Marke Jägermeister gerade deshalb einen enormen Aufschwung erlebt, weil der Kräuterlikör nunmehr von jugendlichen Subkulturen, insbesondere in der Techno-Szene, als Komplementärdroge zu MDMA (Ecstasy) konsumiert wird.


Das ist nun aber wirklich eine steile These und vor allem nich belegbar. Marketing und Trendforschung ist ja nicht erst seit Horx eine ziemliche Hokus-Pokus-Veranstaltung. Aber der hier konstatierte Zusammenhang ist nun einfach nicht belegbar. Das ist eine Behauptung, die sich überhaupt nicht erschliesst. Die seinerzeitige Verfremdung der Jägermeisterreklame und der in der verfremdeten Anzeige hergestellte Zusammenhang zwischen Drogengebrauch und Jägermeisteralkoholismus und die spätere Rolle von Jägermeister in der Technoszene ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Hier sollte der ARAL-Professor einmal seine Methode darlegen, wie er zu diesem Schluss kommt.

Was auf Streumedien wie Presse und Fernsehen zutrifft, gilt natürlich auch für den gefälschten Internet-Auftritt, der im Fachjargon "Cyberjamming" genannt wird. Erste Fälle von Cyberjamming werden derzeit in Europa registriert. Opfer sind, wen würde es verwundern, Mercedes Benz und Benetton geworden (http://www.hatchoo.nl/).

Wenn Aktivisten über professionelle Mittel für multimediale Gestaltung - und damit für ein "Desktop Counterfeiting" (anon. 1997) - verfügen, verschärft sich für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit das Problem des "Culture Jamming" natürlich beträchtlich. Doch die Globalität des Internets fügt all dem noch eine wesentlich Facette hinzu, die meiner Wahrnehmung nach bisher weitgehend unbeachtet geblieben ist. Das Internet hat nämlich die Zugangsbarriere zu einer globalen Öffentlichkeit wesentlich verringert (Eichhorn 1995). Es hat damit die Voraussetzungen geschaffen, die bisherige Aktionslogik von sozialen Bewegungen und ihren Aktivisten geradezu auf den Kopf zu stellen. Ihre erklärte Devise hieß ja dreißig Jahre lang
"thinking globally, acting locally" (Feather 1980); im Zeitalter globaler Kommunikationstechnologien wird dies jedoch durch eine Praxis ersetzt, die nunmehr lautet: "thinking locally, acting globally". Das heißt, die Kontraktion der Zeit und die Dehnung des Raumes als wichtigste Auswirkungen der Neuen Medien (Virilio 1997) eröffnen die Möglichkeit einer globalen Mobilisierung in bezug auf lokale Themen. Der weltweite Protest im Internet gegen die französischen Atomversuche war hier nur ein erstes Beispiel, das die Möglichkeiten im Ansatz aufzeigte.


Darüber lässt sich wenigstens diskutieren ...

Aus dem Handbuch der Kommunikationsguerilla/ [autonome a.f.r.i.k.a gruppe. Luther Blisset/Sonja Brünzels].- 1998.- S. 187-197 veröffentlicht die "Zentrale" der Infoläden das Kapitel "'Gegenöffentlichkeit, Medientheorie & Informationsfetisch" auf ihrer Webseite:

Der Blick auf Kommunikationstheorien begründet, warum eine Kommunikationsguerilla nicht mehr ausschließlich auf die traditionellen Aufklärungsstrategien linker Gegenöffentlichkeit setzt. Allerdings werden dadurch bisherige Formen politischer Arbeit nicht obsolet. Die Kritik an linken Gegenöffentlichkeitskonzepten bedeutet nicht, die Notwendigkeit eines "Streit(s) um Fakten und Realitätsdeutungen" in Abrede zu stellen und sich von Gegenöffentlichkeit zu verabschieden. Allerdings muss sie sich derselben Fragen stellen, die auch an jede Aktion der Kommunikationsguerilla gerichtet werden wird: Unter welchen Bedingungen, in welchen Situationen vermittelt Gegenöffentlichkeit den AdressatInnen einen kritischen Blick auf alltägliche Normalität; unter welchen Vorraussetzungen und bei wem kann sie gesellschaftsveränderndes Handeln bewirken? Für die Frage nach der aktuellen Funktion von klassischer Gegenöffentlichkeit ist ein Blick auf die bisherige Praxis hilfreich. (...)
Weiter im Text mit obigem Link

6. April 2004, 02:10, Neue Zürcher Zeitung

Wiener Aktionsanalyse
Otto Mühl wird in einer umstrittenen Ausstellung gefeiert


Otto Mühl, österreichischer Aktionist der frühen sechziger Jahre, wird in einer grossen Werkschau im Wiener Museum für angewandte Kunst präsentiert. Nach einer Haftstrafe wegen Missbrauchs Minderjähriger kommt Mühl damit zu grossen Ehren. Deutlich sind die Proteste von ehemaligen Mitgliedern seiner Kommune Friedrichshof.
(...)
Angesichts der Debatten wirkt die im MAK breit gezeigte postaktionistische Kunst Mühls eher unerheblich. Als dekorativer Kopist tritt der Künstler mal wie Picasso, mal wie Andy Warhol oder als van Gogh auf. Er ist Collagenkünstler à la Dada, Expressionist oder Neuer Wilder.

Luther Blissett und Sonja Brünzels

Was Sie schon immer wissen wollten ...
  • "a.f.r.i.k.a - eine Gruppe von Teilzeitdesperados aus der süddeutschen Provinz."
  • Luther Blisset - startete seine Karriere als linker Aussenstuermer beim englischen FC Watford, …
  • Sonja Brünzels durchstreift die Peripherien des Empire: "Provinz ist, wo ich bin!"

Jeder ist Situationist
heisst es in einem Bericht über die Neugründung eines situationistischen Stammtisches in Nehren (bei Tübingen) im Schwäbischen Tagblatt, vom 3.4.2004 von Sabine Lohr.

"Drei Sätze und ein Stammtisch

In Nehren gibt es einen neuen Stammtisch: den der Situationisten und der Nehrener Unabhängigen Liste „Nulies“. Einmal schon hat sich der Stammtisch getroffen. Der Nehrener Albert Günther, 49, hat diesen Stammtisch - zwar nicht alleine, aber auch - ins Leben (zurück-) gerufen und ist Situationist.
Was das ist? Es gibt ganze Bücher drüber. Französische. Ein paar deutsche auch. Und viele Aufsätze. Die nun zu lesen, wäre den Lesern zu viel zugemutet, also bitte: Soll Albert Günther doch erklären, was Situationisten sind. In drei Sätzen, bitte. „Drei Sätze?“ staunt er und tut, als ob das viel wäre. Er überlegt lange. Und dann kommt der erste Satz: „Jeder ist ein Situationist.“ Das ist zwar ein einfacher und schöner Satz, schwer zu verstehen ist er trotzdem. „Naja“, holt er aus, „jeder ist ja in einer Situation, auf die er irgendwie reagiert.“ Und darum ginge es eben - zu reagieren. Situation: Lage, Stellung, Zustand.
So weit, so gut. Der zweite Satz, bitte. Der besteht nun aus sehr vielen Sätzen. „Man muss doch was machen, zum Beispiel wegen der Kommunalwahl. Oder der Europawahl.“ Man müsse, findet er, nicht einfach akzeptieren, dass die kommunalen Platzhirsche Platzhirsche bleiben. Nein, nein, winkt er ab: Die Nulies wollten ebenso wenig eine Kandidatenliste aufstellen wie die Steinlachtaler Situationisten. Nur drauf aufmerksam machen wollen sie, drüber reden. In einem öffentlichen Raum. Ohne Hierarchie. Ohne Tagesordnung. Strukturlos. Anstöße zum Nachdenken geben. Auch mit Aktionen. Derjenige, der sommers Paulaner-Dosen im Kirschenfeld mehr oder weniger kunstvoll verteilt, der habe einen öffentlichen Raum hergestellt und einen Denkanstoß gegeben, sagt Günther. „Umweltverschmutzung“, fügt er noch hinzu. Und dass er es nicht war und auch nicht weiß, wer’s war.
Eins bei all den Denkanstößen und Debatten und Aktionen ist dem Situationist Albert Günther besonders wichtig: Der Spaß. Den hatten Günther und alle, die zum ersten Situationisten-Stammtisch gekommen sind, wie aus ihrer Pressemitteilung hervorgeht. In einem Vortreffen hatten die Mitglieder des wiedererneuerten Stammtisches begonnen, die Kirschen zu zählen, die gerade im Reifeprozess an den Kirschbäumen hingen. Weiter wurde angedacht, den Nehrener Feuersalamander in das Nehrener Wappen aufzunehmen und den Weg zum Nehrener Schützenhaus offiziell in „Alsob-Gasse“ auszuweisen.
Eine „Gratwanderung“ gelte es zu machen, sagt Günther, „zwischen Spaß und Aufklärung“, man müsse beides zueinander bringen.
Weil der zweite Satz ihm doch sehr lang geraten ist, soll er ihn nun beenden und den dritten sagen. Günther holt aus seinem Einkaufskorb einen kleinen, potthässlichen, glänzend rosafarbenen Porzellanteller hervor, stellt sechs dazu gehörende Eierbecher im Kreis darauf und in die Mitte ein kleines, passendes Schälchen. Dann packt er noch den Kopf einer Barbiepuppe aus, tunkt ihn dreimal in einen der Eierbecher und lässt ihn drin stecken. Nur noch die blonden Haar gucken raus � sie stehen steil nach oben. „Ist das jetzt zu abgefahren?“ fragt er. Nein, nein. „Es macht Sinn, nachzudenken“, sagte er dann. „Aber mit Spaß.“
Und am Ende lädt er ganz öffentlich zum nächsten Stammtisch der Situationisten und Nulies ein. Der ist am Freitag, 16. April, wie immer im „Capaninna“, das früher „Zum lustigen Löwen“ hieß, Punkt 19.17 Uhr. Weil: 1917 „ russische Revolution. Das Ende ist immer um 22.11 Uhr. „Keine Ahnung, warum.“ Sicher ist, dass der Düsseldorfer Erziehungswissenschaftler Professor Heiner Barz kommt und das Thema vielleicht sein wird: „Zu den Möglichkeiten einer situationistischen Perspektive in der alltäglichen kulturellen Arbeit.“ Motto des Treffens: „Die Steinlacht in den Neckar.“


Zu den Nehrener "Nulies" und ihrem situationistischem Stammtisch fällt mir doch auch was ein:
Aua sagt der Bauer
die Äfpel sind zu sauer
die Birnen sind zu süss
morgen gibt's Gemüs

"Wir sehen uns wieder in Ludwigshafen"

Hier eine Einladung des Buero für angewandten Realismus in Ludwigshafen:


kroquetWerte Freundinnen und Freunde des Rasensports, des british way of life, der internationalen Multitude, der Mediologie und des angewandten Realismus!

Der Frühling hat begonnen, das Grün der Pflanzen ist dabei, das grau des Winters zu verdrängen, die Osterhasen sind schwer beschäftigt und wir laden erneut zum

Traditional Croquet-Meeting

am Ostermontag in Ludwigshafens wunderschönem Friedrich-Ebert-Park, am 12.
April 2003 ab 14.30, auf der Wiese an den Schaf- und Ziegengehegen.

Very british, indeed. Croquet, manchmal auch Krocket, nie jedoch Kricket geschrieben (wichtig!), kennt man hierzulande vor allem aus Kinderzeiten oder aus Alice im Wunderland. Im britischen Kulturkreis ist dies nicht so; dort genießt Krocket den Status einer seriösen, ernst zu nehmenden Sportart.
Um dieses schöne Spiel auch auf dem Festland bekannt zu machen, lädt das Buero für angewandten Realismus seit einigen Jahren am Ostermontag zu einem Treffen der Krocketfreunde in den Ebertpark. Gespielt wird die Freestyle-Variante des beliebten Rasensports mit den beliebten Sondertechniken wie dem Hötschen und Bodieren.

Kugeln und Schläger für ca. 30 SpielerInnen sind vorhanden, es empfielt sich jedoch die Mitnahme eigenen Materials, falls vorhanden, da die Zahl der TeilnehmerInnen nur schwer zu schätzen ist.

Dazu gereicht werden kleine Häppchen, Sandwiches, Sherry und Tee. Auch hier wird eine gewisse Grundversorgung bereitgestellt, aber zur Bereicherung des Buffets aufgerufen.

Traditionell wird um angemessene britische Garderobe gebeten, was immer man darunter auch verstehen mag. Very strange, please, indeed.

Zwischen mitgebrachtem Picknickgeschirr, herumlaufenden Kranichen und dem wohlklingenden Klang blökender Schafe ermittelt man die Besten unter sich und betreibt dabei eifrigen Erfahrungsaustausch. Auch Unkundige dieser hierzulande noch nicht allzu bekannten Sportart sind willkommen.

Traditional Croquet-Meeting
Ostermontag, 12. April 2003 ab 14.30 Uhr
Ludwigshafen, Friedrich-Ebert-Park
Wiese an den Schaf-und Ziegengehegen.

Britische Kleidung ist erwünscht, aber nicht zwingend.
Schläger & Kugeln werden gestellt, falls vorhanden, bitte eigenes Material mitbringen
Tee, Sherry, Sandwiches, Shortbread und andere britische Köstlichkeiten werden gereicht, so lange der Vorrat reicht. Ergänzungen des Angebots sind jedoch in hohem Maße willkommen.

Keine Angst. Alles wird gut.

In einem weiteren Text "Kritische Anmerkungen zu 'Immer in Bewegung bleiben'" (Autor/in nicht genannt) auf der Webpage der Gruppe mañana gibt es folgenden Versuch, eine politische Praxis innerhalb der Institutionen zu verteidigen. Die Frage ist allerdings, ob sich das tatsächlich ausschließt?

"Um gegen die herrschaftskonforme Konstruktion der Wirklichkeit ankämpfen zu können, bedarf es erstens eines guten Wissens um die Mechanismen der Sinnstiftung, zweitens um eine Ahnung von möglichen zukünftigen Wechselspielen des Diskurses mit der Verwertungslogik, somit einer eigenen analytischen Konstruktion der Wirklichkeit, die einige Ausgänge in widerständige Praxen vermuten lässt. Davon scheint mir wenig gegeben, wo Leute im Minimalkonsensdelirium das Schunkeln im Gehen neu erfinden. Dort wird auch keine Straße reclaimed! Das ist nicht Sinn-Rebellion sondern angenehme Bedeutungsarmut.

...die Normalitäten brechen, wo es die Menschen am wenigsten erwarten...

ist wohl eine Formulierung, der wir auf der Suche nach einem für uns sinnvollen Praxis-Verständnis ungeteilt zustimmen können. Doch gerade in einer Gesellschaft, deren mediale Kommunikation es ihren Mitgliedern nahelegt, tagtäglich x-mal Ereignisse interpretationslos zu registrieren, ist es sehr schwer, die Normalität bedeutungsvoll zu brechen. Torten und Tänze können wohl nur für wenige eine motivierende Störung der Normalität darstellen. Doch was...?

Greif- und fühlbare Bedeutung liegt letztlich in Ereignissen, die das eigene Leben betreffen. Widerstandsaktionen sollten darum letztlich einigen (angesprochenen, sich angesprochen sehenden) Menschen aufzeigen, dass eine Erweiterung der eigenen Handlungsperspektiven auch in einer diskriminierenden Position möglich ist und zu einer Verbesserung der Lebensumstände führen kann. Gefragt sind sowohl politische als auch antipolitische Praxen. Erstere bewegen sich innerhalb oder höchstens am Rande anerkannter Formen und Arenen, zweitere außerhalb davon: als herrschaftlichen Diskurs und Praxis störende Ereignisse ist ihre Aufgabe aber die, bei aller notwendigen Verwirrung einigen Leuten zu Klarheit und Kraft zu verhelfen. Empowerment wäre nicht das gemeinsame Anstimmen des Repressionsliedes, sondern ein sich Wi(e)derholen der Bühne des eigenen materiellen und begehrlichen Tanzes."


Vorwärts und nicht(s) vergessen ... aber eine Antwort auf den Einwand , dass es schwer sei, die Normalität bedeutungsvoll zu brechen findet sich im im Text zur Imagebeschmutzung.

Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Institut für Kunstpädagogik
Net: Art/Activism; Geniekult vs. Kollektiv;
Seminar II HS
Prof. Dr. Birgit Richard
SS 2001

Luther Blissett
Alle oder keiner?

von Susann Müller (susann_mueller@web.de)

Inhalt
1. Einleitung: Wer ist Luther Blissett?
2. Konzept des multiplen Namen, der kollektiven Identität
3. Ziele und Theorien
3.1. Neoismus
3.2. Kommunikationsguerilla
4. Mittel und Techniken
5. Beispiele und Aktionen
6. „Seppuku“ und Wu-Ming
7. Schlußüberlegungen
8. Quellen

In den Schlußüberlegungen findet sich eine ganz brauchbare Zusammenfassung des Verhältnisses zwischen Kunst und KG.

Zu klären bleibt, ob es man das Phänomen "Luther Blissett" überhaupt als Kunst bezeichnen kann. Zweifelsohne werden künstlerische Mittel angewendet, da in "Künstlerkreisen" eher eine Entwicklung unkonventioneller Aktionsformen möglich ist. Diese werden jedoch nach ihrer Brauchbarkeit für die Zwecke politischer Subversion beurteilt. Noch fragwürdiger ist die Zuordnung in den Bereich "Netzkunst". Das Projekt nutzt schließlich ganz unterschiedliche Medien und, was noch wichtiger ist, es findet keine internetspezifische Entstehung oder Aufarbeitung der Texte statt. Typisch hingegen ist die Tatsache, daß kein Ausstellungsprodukt vorliegen muß, das Ergebnis ist oftmals die Aktion selbst. Auch ist ein gewisser "Stil" unverkennbar. Es herrschen ungeschriebene Gesetze der Gemeinschaft, die von jedem Mitglied eingehalten werden. So wird beispielsweise kein intellektuelles Eigentum anerkannt. Kurz und gut: die Methoden sind überwiegend innerhalb des Kunst-Kontextes entstanden, finden nun jedoch auch außerhalb des Kunstbegriffs Anwendung.

Die Skepsis der Aktionisten, in künstlerische Zusammenhänge gebracht zu werden, begründet sich sicher auch darauf, daß jede Aussage durch den Kunstraum abgeschwächt, jede Radikalität durch den Künstlermythos entschärft wird. Grenzüberschreitungen werden bald vom Kunstmarkt aufgesogen. Auch wird jedem einleuchten, daß KG-Aktionen vor einem eingeweihtem Publikum nahezu unmöglich sind. Daher beruft sich die Gruppe selbst wohl in erster Linie dann auf Kunst, wenn sie dadurch der Kriminalisierung zu entgehen vermag. Nicht zu vergessen auch, daß das Wehren gegen die Einordnung in den Kunstbereich möglicherweise auch einfach zum Rollenspiel dazugehört.

Auch ist interessant, daß die Machthabenden mit dem Phänomen "Luther Blissett" offenbar tatsächlich nicht umgehen können. Sie suchen beständig nach den dahinterstehenden Individuen, sind unfähig, einfach dieselben Strukturen zu nutzen

In der Tat ist der Begriff der "Kulturellen Grammatik" ein zentraler Punkt im Konzept der Kommunikationsguerilla.

Im Rahmen ihres Textes "Immer in Bewegung bleiben!" diskutiert die österreichische "gruppe mañana" den Begriff "Kulturelle Grammatik".


"Über Widerstand und Kultur schreiben, oder über Widerstand schreiben, der nicht den Vorstellungen traditioneller Politik entspricht, wie geht das? Wir stellen diese Frage schlicht und einfach deswegen, weil es schon allein schwer zu sagen ist, was denn Kultur sei und für so manche und manchen, welche Relevanz dieser Begriff eigentlich hat. Es gibt nur einen Trost, die Tatsache, dass ja eigentlich auch nicht klar ist, was denn nun Ökonomie sei."


Zunächst zitieren sie aus dem Handbuch der Kommunikationsguerilla:

„Die Metapher Kulturelle Grammatik bezieht sich auf die Sprachwissenschaft. Grammatik ist das der Sprache zugrundeliegende Regelsystem, das wir erlernen, ohne uns dessen bewusst zu sein; sie ist die Struktur, die die Verwendung und den Zusammenhang der einzelnen Elemente sprachlicher Aussagen bestimmt. Ohne Grammatik lassen sich komplexe Zusammenhänge nicht ausdrücken, obwohl die wenigsten Menschen beim Sprechen in ihrer eigenen Sprache über Satzteile und Konjugationen nachdenken. Grammatikalische Regeln einzuhalten ist weitgehend normal und wird selten hinterfragt.“[Handbuch der KG]

Unter Verweis auf Wittgensteinschen Begriff der Grammatik und an dessen Begriff der Regel schlagen sie ein modifiziertes Verständnis des Begriffs vor, für dessen Nachvollzug man/frau wohl Sprachwissenschaftler/in sein muss:

"An diesem Punkt erscheint eine Abgrenzung vom obigen Vergleich der autonomen a.f.r.i.k.a.g.r.u.p.p.e unbedingt notwendig. Sprachliche Grammatik, z.B. deutsche Grammatik, ist ein Gesetzessystem, das nachträglich über die differenzierte Praxis menschlichen Sprechens gelegt wurde. Menschen sprechen im Normalfall nicht wegen der grammatischen Regeln, sie kennen sie oft gar nicht, und sie beachten sie oft gar nicht. Wesentlich zielführender erscheint eine Anlehnung an den Wittgensteinschen Begriff der Grammatik und an dessen Begriff der Regel. Grammatik bei Wittgenstein bezeichnet die sozusagen vorgegebene Strukturierung durch gesellschaftlicher Verhältnisse und Praxen, den gesellschaftlichen Raum. Ein Teil dieser Strukturierung und in dieser Strukturierung ist Sprache. Es muss schon viel vorgegeben sein, um in einer gewissen Weise zu sprechen.
Gesellschaftliche Regelsysteme -das System der Kulturellen Grammatik- sind keineswegs neutral und für alle veränderbar. Dennoch ermöglichen sie Menschen, sich im alltäglichen Leben zu orientieren, weisen ihnen aber gleichzeitig ihre (Spiel-)Räume zu. Im Zuge ihrer Praxis produzieren und reproduzieren sie Machtstrukturen.
Diese Regelsysteme liefern Handlungsanweisungen, eröffnen Handlungsoptionen, v.a. aber legen sie bestimmte Interpretationen von Situationen, Orten, Texten und Gegenständen nahe.
Deren Bedeutungen sind natürlich nicht fest, sondern je nach Kontext unterschiedlich. Anders formuliert: Bedeutung ist einerseits geknüpft an die soziale Praxis, andererseits an den Kontext.


Schön und gut, aber inwiefern unterscheidet sich das inhaltlich substantiell von dem zitierten Abatz aus dem Handbuch?

 

twoday.net AGB

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