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Der Verlag Assoziation A, in dem auch das Handbuch der Kommunikationsguerilla erschienen ist, informiert uns über eine ernsthafte Attacke gegen ein nicht wirklich wichtiges Buch. Aber das ist hier nicht der Punkt. Andererseits fragt man sich schon, wie lange der Apparat eines Bundesministeriums braucht, bis er die Gefährlichkeit eines solchen 'Machwerks' erkennt. Und dann fragt man sich nach den politischen Absichten. Eine 'stillgelegtere" Bewegung wie die Autonomen, die hier beschrieben wird, kann man sich gar nicht vorstellen. Gegen wen wird hier verhandelt? Sind die volldeppert oder müssen solche Apparate und Institutionen nur ab und an ihre Berechtigung unter Beweis stellen? In jedem Fall sind alle ihre eventuellen Absichten kriminell und müssen deshalb von allen rechtschaffenen Menschen zurückgewiesen werden. No pasaran! oder im Jargon der inkriminierten Bewegung:

"Der Bundesprüfstelle eins aufs Maul!"


Wir dokumentieren das Schreiben des Verlags von heute, 19.5. 2006:

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor kurzem teilte uns die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien mit, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einen Indizierungsantrag gegen das mittlerweile vier Jahre alte Buch �Autonome in Bewegung� gestellt hat.

Offenbar versucht das Ministerium neben der Propagierung christlicher Werte, wie Disziplin, Höflichkeit oder Respekt, nun auch gegen politisch missliebige Publikationen und deren Herausgeber vorzugehen.

Eine erfolgreiche Indizierung würde bedeuten, dass unser Buch nur noch unter der Ladentheke verkauft werden dürfte, keine Werbung, keine Auslage, kein Versand, die Kontrolle der Ausweispapiere beim Verkauf. Außerdem würden die Barsortimente den Titel nicht mehr vertreiben und Buchhändler, die über die Indizierung wachen müssen, würden den Titel aus dem Sortiment nehmen. Die materielle Schädigung für den Verlag wäre auf jeden Fall erheblich.
Aber vor allem würde eine Indizierung des Buches einer politischen Zensur gleichkommen.

Die Darstellung und kritische Reflexion der linken Geschichte und der sozialen Bewegungen bildet seit Jahren einen thematischen Schwerpunkt des Verlages Assoziation A, der sich in Sachbüchern und Romanen niedergeschlagen hat.
So geben die Romane Nanni Balestrinis einen genauen Eindruck vom Lebensgefühl der Akteure der italienischen autonomen Bewegungen wider. Paco Ignacio Taibos Romane sind ein fortlaufender kritischer Kommentar der mexikanischen Geschichte, so beispielsweise in seinem letzten Krimi, den er zusammen mit Subcomandante Marcos verfasst hat. Die Übersetzungen französischer Neopolar-Kriminalromane haben die Studentenbewegung, die Migration oder die Judenverfolgung in Frankreich zum Thema.
Die Goldene Horde von Moroni/Balestrini ein Standardwerk über die jüngere italienische Geschichte, gehören wie die Arbeit zum Operaismus von Steve Wright "Den Himmel stürmen" zum Verlagsprogramm. Demnächst kommt mit der Wiederauflage von "Brigate Rosse", einem Interviewband von Rossana Rossanda und Mario Moretti, eines der wichtigsten Bücher zum bewaffneten Kampf in Italien wieder auf den Markt.
Dem visuellen Ausdruck der sozialen Protestbewegungen in der Bundesrepublik Deutschland haben wir zwei breit rezipierte Plakatbücher gewidmet.

Das Buch "Autonome in Bewegung" beschreibt ausführlich bebildert und durch viele Selbstzeugnisse anschaulich autonome Politik in Berlin seit 1980. Die Geschichte der Hausbesetzungen, der Kampf gegen die Startbahn-West, die Aktionen zum IWF-Gipfel in Berlin 1988, Anti-AKW Kampagnen und vieles mehr werden nicht nur beschrieben, sondern es wird auch der Versuch unternommen, die Beweggründe der Akteurinnen und Akteure darzulegen. Die Überzeugungen und politischen Ideen, aber genauso die Emotionen und Leidenschaften sind für das Verständnis der Autonomen von entscheidender Bedeutung.

Das Bundesministerium beanstandet vor allem Stellen und Textpassagen, die aus Erinnerungen und Reflexionen bestehen und als Zitate von autonomen Zeitgenossen graphisch gekennzeichnet sind. Natürlich geht es dabei auch um Militanz, um ihre Beschreibung, Problematisierung und Kritik. Für das Verständnis eines so wichtigen Abschnitts linker Politik ist die Auseinandersetzung um Militanz bedeutend und darf auf keinen Fall zensiert werden.

Würde ein Buch wie "Autonome in Bewegung" tatsächlich auf den Index kommen, müsste tatsächlich mit einer Flut von weiteren Anträgen - nicht nur gegen Bücher unseres Verlages - gerechnet werden, da die Vorwürfe auf zig Sachbücher und Romane übertragbar wären.

Deshalb betrifft dieser Zensurversuch auch alle, die als Verlage, AutorInnen, JournalistInnen und Leserinnen und Leser an einer weiteren Diskussion über Inhalte und Ziele linker Politik interessiert sind.

Wir werden Sie über den weiteren Verlauf dieses Indizierungsverfahrens auf dem Laufenden halten und bitten Sie, uns zu helfen, diese Vorgänge publik zu machen. Nur eine öffentliche Diskussion und Verbreitung kann solche - immer wiederkehrenden - Zensurversuche verhindern.

Kommen die Mittenwalder "Kampfelefanten" wieder?

Zur Webpage des Aktionsbündnisses hier klicken ...



Siehe auch: "Sommer, Sonne, Kriegsverbrechen"

Der Guardian (17.5. 2006) berichtet in durchaus objektiver und vor allem ausführlicher Weise über die Hamburger Delikatessen-Posse:

"A merry band

Last month Germany's real-life Robin Hood gang struck again, stealing a trolley of luxury food. But who are they - and why do they do it? And how did Luke Harding manage to track them down when the police couldn't?
(...)
Late last month Sievers's shop, Frische Paradies in Hamburg, was the victim of one of the most inventive - and possibly the funniest, though not to him - raids in German criminal history. At 10.15am on April 28, a group of activists dressed as superheroes burst into his gourmet supermarket. Wearing carnival masks and calling themselves names such as Spider Mum, Multiflex, Sante Guevara and Operaistorix, they made off with a trolley loaded with luxury goods.
(...)
In a note posted on the internet the gang said it had distributed the food among Germany's new underclass - interns who worked for months in glamorous publishing houses without being paid, low-wage nursery assistants, mums forced to take part-time jobs as cleaning ladies and "one-euro jobbers", performing menial tasks under a German government welfare scheme. The gang said it didn't merely object to capitalism. Instead it was making a stand against Prekarisierung or "precariousness" - the uncertainty facing 20- and lower 30somethings as they try to navigate their way through Europe's gloomy neo-liberal jobs market.
(...)
But unlike these older leftists, Hamburg Umsonst is a newer movement, loosely affiliated to a growing network of young anti-capitalist protesters from across Europe. The movement started off in Milan in 2001. It has now spread to more than a dozen European cities, including Paris, Palermo, Stockholm, Helsinki and London, and its main event is May Day.
(...)
In Hamburg, meanwhile, the group's special wrath is reserved for German companies that exploit interns. Typically, German interns work for long periods - often to be let go after months of underpaid slogging. They are then forced to take another internship somewhere else, a process that can drag on into a graduate's early 30s. "We gave some of the food to four Praktikanten [interns] who work in a Hamburg publishing house," Santa Guevara says.

"What we are seeing now is an interesting switch," says Prof Paul Nolte, a cultural historian at Berlin's Free University. "Traditional protests in the 1980s were concerned with post-materialist issues such as the environment, ecology and nuclear energy. Now young people are interested in social issues."

He adds: "We are talking about young, relatively well-educated people whose parents easily attained secure jobs and middle-class status. The situation now is far more insecure. For the first time in many generations, young people in Europe have bleaker prospects than their parents did. They are not as optimistic or utopian as people were in the 60s, or as pessimistic and depressed as they were in the 80s. Instead they find themselves having to walk a tightrope."

The Euromayday protesters, meanwhile, are a media-savvy bunch. Within hours of looting the delicatessen, the Robin Hood gang posted photographs of themselves on the internet. (One showed them sitting in a children's sandpit waving their goodies in the air. Another showed Spider Mum doing a victory leap in front of a Kindergarten). The gang also sent the pictures to Hamburg's main tabloid, the Hamburger Morgenpost. The Mopo, as it's known, put a photo on the front page under the headline: "Class struggle ahead of May Day".


Ein weiterer Beitrag zu diesem Thema

Die Yes Men haben wieder zugeschlagen. Einmal mehr hat sich die Methode bewährt, sich über eine gefakte Webseite für jemand anders auszugeben. Die Seite halliburtoncontracts.com überzeugte die Organisatoren der Catastrophic Loss Conference im Ritz-Carlton Amelia Island. 060509-2440-Halliburton_s Als offizielle Vertreter des Halliburton-Konzerns wurden Mike und Andy eingeladen, ihre Antwort auf die nahende Klimakatastrophe vorzustellen: einen Anzug, der dem Manager noch im Katastrophenfall die volle Kontrolle über seine Umwelt und die volle Entscheidungsfreiheit garantiert. Statt die Klimakatastrophe abzuwenden wolle Halliburton die nahende Katastrophe nutzen und Managern ein umfassendes Sicherheitspaket anbieten - frei nach der Noah-Regel: "was zählt ist nicht, den Regen vorherzusagen, sondern eine Arche zu bauen". Der kugelförmige Anzug mit einem geschlossenen Nahrungskreislauf, Abwehrwaffen, Kommunikationssystem und vielem mehr sei im wesentlichen eine "gated community for one". Das Interesse der versammelten Manager an dieser Zukunftstechnologie war enorm: die Referenten wurden mit Fragen zu den Kosten, zur Sicherheit bei Terroranschlägen und der Praxistauglichkeit der Neuentwicklung gefragt. Die Idee, die nahenden Klimaveränderungen für den eigenen Geschäftserfolg zu nutzen, scheint also anzukommen.

Telepolis (12.05.2006)

Während in Berlin erhitzte Debatten darüber geführt werden, wie die Reichensteuer so umgesetzt werden kann, dass sie ganz bestimmt niemand weh tut, nimmt eine konspirative Hamburger Gruppe mit dem Namen "Hamburg Umsonst" die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums selbst in die Hand: Sie "überfallen" Nobelrestaurants und andere Gourmettempel, sacken ein, was ihnen an Exklusivitäten in die Hände kommt, beglücken die Angestellten mit Blumensträußen, verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind, und verteilen die edle Beute an Bedürftige. Nun rätselt die ganze Stadt, wer die modernen Robin Hoods oder Störtebekers wohl sind - vor allem die Polizeiführung, denn die konnte ihrer bisher trotz Großfahndung und Hubschraubereinsatz nicht habhaft werden.
(...)

Prekäre Superhelden
Störtebekers Erben, die seit kurzem die Stadt unsicher machen, haben modernere Vorbilder. Sie nennen sich "prekäre Superhelden" namens Multiflex, Operaistorix, Santa Guevara und Spider Mum und kleiden sich recht farbenfroh. Ihre selbst ausgewählte Mission: Den Armen in der Stadt der Reichen überleben zu helfen. Dazu setzen sie ihre im Callcenter, bei bezahlter und unbezahlter Putzarbeit, im Kampf gegen die Arbeitsagentur und im Hörsaal entwickelten Superkräfte ein, wie sie in einem [extern] Schreiben erläutern, dass sie kürzlich an ihrem letzten Einsatzort, dem "Frische Paradies Goedeken", hinterließen.


Zum ganzen Text in Telepolis

FDPler will Vater von 1000 Kindern werden
Spiegel online (6.5. 2006) meldet uns folgende patriarchalische Guerilla-Aktion. Ein Ultra-Liberaler radikalisiert die Ablehnung des Staates in einer genialen Überaffirmation:

"1000 ausländische Kinder will ein in Paraguay lebender Deutscher nach Informationen des SPIEGEL adoptieren. Dies mache eine Grauzone des Kinderschaftsreformgesetzes möglich. Als Motiv nennt der Mann zugleich Hilfsbereitschaft und einen Rachefeldzug gegen den Staat.

[Ich habe Euch was mitgebracht: Hass, Hass, Hass]

Der Rheinländer Jürgen Hass, 56, hat mit Hilfe eines Netzwerks von Helfern bereits 300 Kinder anerkannt, sagte er dem SPIEGEL. Sie stammen aus Paraguay, Rumänien, Ungarn, Moldawien, Russland, der Ukraine und Indien. Bis zum Jahresende will er insgesamt 1000 Kinder adoptiert haben.

Der frühere Versicherungskaufmann und FDP-Kommunalpolitiker aus der niederrheinischen Stadt Rees nutzt dabei eine Grauzone des Kindschaftsrechtsreformgesetzes von 1998. Dieses erlaubt Männern die Anerkennung einer Vaterschaft, wenn die jeweilige Mutter zustimmt und niemand anderes sich als Vater erklärt.

["Für bessere Chancen im späteren Leben: Deutscher will Vater von 1.000 Kindern sein"]

Hass will den Kindern, die mit der Anerkennung deutsche Staatsbürger werden, die Möglichkeit zu einer Ausbildung oder einem Studium und Zugang zu deutschen Sozialleistungen verschaffen. Unterhalt muss der Frührentner nicht zahlen, weil seine Rente nicht pfändbar ist. Hass gibt an, den Kindern helfen zu wollen, aber auch einen "persönlichen, privaten Rachefeldzug" gegen den Staat zu führen. Er war 1987 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden, obwohl er sich unschuldig fühlte."


Man kann natürlich nichts dafür - im positiven wie im negativen - wie man heißt. Aber dieser Ultra-Westerwelle bringt seine Hass auf unser Staatswesen auf eine geniale Weise auf den Punkt. Respekt, ist das Mindeste, was man für so etwas aufbringen kann. Und da soll nochmals jemand sagen, dass persönliche Betroffenheit nicht hinreichend für politisches Engagement sei.

 

twoday.net AGB

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