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Die von Yann Moulier Boutang herausgegebene Theoriezeitschrift "Multitudes" hat in ihrer Schwerpunktnummer zum Thema Deleuze auch einen eigenen Themenkomplex "Hoax" bzw. Kommunikationsguerilla und Fakes eingerichtet. Aber wie häufig im französischen Kontext, wird die nicht-französischsprachige Literatur nicht oder kaum zur Kenntnis genommen. Schade eigentlich ... aber immerhin.


MINEURE : HOAX ACTIVISTE

André Gattolin
Prélude à une théorie du hoax et de son usage subversif

In an introduction to a focus on "activist hoaxes" published by French journal Multitudes, André Gattolin shows how simple tricks can upturn the codes of dominant cultures. The contemporary hoax goes beyond the field of traditional media activism and marks a regeneration of the culture of opposition.

Erwan Lecoeur & Alexandre Pessar
Les Yes Men : de l’usage de la " rectification d’identité " pour Bhopal
The actions of the Yes Men combine happenings with take-over strategies. Starting with websites, they continue the hoax till it runs into reality: in TV studios or with lectures they make sure to catch on film. This time, Dow Chemical takes a hit.

Les actions des Yes Men mêlent stratégie d'usurpation et happening. À partir de sites Web, ils poursuivent le hoax jusqu'à son débouché dans le réel : plateau télé ou salle de conférence filmée. Une entreprise comme Dow Chemicals y a laissé quelques plumes...

Andrea Natella
Aux origines de l’usage subversif du canular en Italie

The true is a moment of the false. Overview of the hoax in Italy, from Censor (1975) to Luther Blissett.

Le vrai est un moment du faux. Panorama du hoax en Italie, de Censor (1975) à Luther Blissett.

Luther Blissett
Le Gai Mensonge de Luther Blissett
Don't hate the media, lie to the media. Defence and illustration of lying by the Italian Luther Blisset collective.

Le pouvoir ment. Mentons à notre tour, et mentons mieux. Défense et illustration du mensonge par le collectif italien Luther Blissett.

André Gattolin
Serpica naro : un hoax activiste contre le milieu de la mode

The young designer Serpica Naro is the center of attention during Fashion Week. But she doesn't exist. A collective of flexworkers created her from scratch, to have a laugh at the city of Milan whose blood is sucked dry by the fashion vamp. And to show its dark side too: extreme precarity, with three-quarters of those under 35 working on short-term contracts.

La jeune styliste Serpica Naro, centre de l'attention de la Semaine de la Mode, n'existe pas. Un collectif de précaires l'a créée de toutes pièces pour tourner en dérision une ville de Milan vampirisée par la mode et pour en exposer la face obscure : une précarité à outrance, avec près des trois quarts des moins de 35 ans qui travaillent sous le régime des contrats atypiques.

Francis Mizio
La Brigade de propagation textuelle : histoire d’une expérience collective de harcèlement par courriel

Words against corporate communication. Account of the attempted sabotage of Jaimemaboîte.com (=Ilovemycompany.com), initiator of Business Day.

Des mots contre la com. Récit du sabordage de Jaimemaboîte.com, initiatrice de la Fête de l'entreprise.

Am 16. Sept. 2006 ist es wieder soweit: Diesmal mit abgeändertem Namen organisiert wir – die Aktionsgruppe “Dance out WEF“ – eine Strassenparade durch die Berner Innenstadt. Als neuen Namen haben wir “Dance out Mon€ymania“ gewählt. Wir wollen damit auf die Folgen des masslosen, unüberlegten Konsums jedes/r einzelnen hinweisen und einmal mehr zeigen, dass man den Menschen auch mit beschränkten, einfachen Mitteln Freude bereiten kann. Wir hoffen, der Gesellschaft auf diese Weise etwas unserer – für uns zentralen – Grundhaltung zukommen zu lassen: Nicht materieller Besitz, sondern innerer, seelischer und geistiger Reichtum soll als zentrales Lebensziel erkannt werden.

Wir versammeln uns um 15 Uhr im Schwellenmätteli. Zwei Stunden später beginnt der Umzug. Er führt via Dalmazibrücke, Matte, Bärengraben, Zytglogge bis auf den Bundesplatz. Die Parade endet voraussichtlich gegen 23 Uhr vor der Reitschule. Eine Afterparty im Anschluss ist noch in Planung.

Wie an den vergangenen Paraden werden verschiedene Soundcrews mit ihren Wagen für Stimmung sorgen. Mit diversen Musikstilen (Punk, Goa, Drum’n’Bass, Minimal, HipHop…) werden sie alle Geschmäcker ansprechen. Zudem richtet sich der Fokus der Parade noch verstärkt auf politische Inhalte: In Zusammenarbeit mit verschiedenen Gruppierungen versuchen wir anhand konkreter Bespiele die tödlichen Auswirkungen des modernen Wirtschaftsdenkens zu illustrieren. Die Mitarbeit weiterer interessierter Kreise ist erwünscht. Bitte meldet euch bei uns!

Am Wochenende vom 1. - 3. September 2006 findet im Paradisli zudem ein Infoworkshop statt, an dem wir die politischen Inhalte koordinieren und Transparente, Plakate und Flugblätter für die Parade gestalten werden. Jedermann und jedefrau ist dazu (auch unangemeldet) herzlich eingeladen. Für Medien besteht zudem die Möglichkeit, “direkt an der Quelle“ Interviews zu machen, Fotos zu schiessen und Videos zu drehen.

Wir hoffen, dass auch Sie sich für eine Teilnahme an unserer Parade begeistern lassen, und möchten Sie bitten, diesen Aufruf an alle Freunde/innen, MitarbeiterInnen, Interessierte, Musikbegeisterte usw. weiterzuleiten. Wir danken Ihnen für Ihr Engagement!


Solidarische Grüsse
OK Dance out Mon€ymania

www.danceoutwef.org


flyer-dance-out-moneymania



MON€YMANIA TÖTET !!

Moneymania – die Manie nach Geld. Das ständige Streben nach käuflichen Werten und materiellem Reichtum hat in einer kapitalistischen Gesellschaft viele Gesichter: Davon zeugen die allgegenwärtig Glück versprechenden Werbungen für immer günstige Produkte, überrissene Löhne von Topverdienern oder aber die omnipräsente Grundregel der Rentabilität, sei es in Politik, Kultur oder Kirche. Sei es ein Festival, eine WM, ein Hilfswerk, eine Geburtstagsfest oder Staudammprojekt. Worum es sich handelt, ist egal. Hauptsache es ist in nützlicher Frist realisierbar und es rentiert.

Oftmals wird gerade von den Menschen, die nicht viel Habe besitzen, Geld und Luxus verehrt, als wäre es ein Gott. Kinder zocken ihre Eltern ab, um auf dem Schulhof mit den – in einem Monat längstens wieder veralteten Hosen – anzugeben. Auch brauchen sie unbedingt (!) die neue Playstation und die fünf coolen Games… Nach siegreichen Matches protzen Fussball-Fans mit ihren aufgemotzten Karren. Und wer heute noch kein Foto-Handy besitzt, lebt sowieso hinter dem Mond.

Dass wir mit dieser Einstellung die Welt prägen, ist vielen nicht ganz klar. So kaufen wir z.B. günstige Kleidung im H&M. Diese ist aber nur deshalb so billig, weil H&M die Produktionskosten tief hält, indem die Firma den Herstellern der Waren resp. deren Arbeitnehmern nur sehr wenig bezahlt – oftmals zu wenig, damit diese überleben können! H&M profitiert somit indirekt von der ungerechten Güterverteilung auf diesem Planeten.

Wir müssen unsere Konsummengen hinterfragen. Wir müssen uns informieren, versuchen, Grossfirmen wie H&M, McDonalds, Nestlé, Levi’s, Nike, Kraft, Ford, Walt Disney, Coca-Cola, Chiquita, C&A und viele mehr so weit als möglich zu meiden, und stattdessen auf ökologische, nachhaltige Produkte setzen. So können alle etwas zu einer gerechteren Welt beitragen.




EINKOMMEN BEGRENZEN !!

Das Lohnpaket, welches Novartis-CEO Daniel Vasella 2005 garnierte und wovon er nur etwa zwei Drittel versteuern muss, beträgt knapp 50 Mio. CHF. Marc Ospel, Verwaltungsratspräsident der UBS, brachte es (ohne Boni) immerhin auf 24 Mio. CHF. Bei Peter Brabek, dem Nestlé-Chef, sind es „nur“ 13.5 Mio. CHF. Würde z.B. dieser sich mit 1 Mio. pro Jahr begnügen, würde jedeR seiner weltweit 230’000 ArbeitnehmernInnen 50 CHF mehr verdienen – je nach Land ein kleines Vermögen!

Solche exponentiell wachsende Kaderlöhne sind nicht legitim. Weder könnte die Leistung eines einzelnen Menschen jemals eine dermassen hohe Entlöhnung rechtfertigen, noch wird demokratisch über die Höhe der Löhne entschieden. Der Kader bestimmt selbst. Die Aktionäre beschweren sich nur, wenn die Kurse sinken. Dies wiederum wird von der Exekutive tunlichst vermieden, indem die Geschäfte durch geschicktes Zu- und Verkaufen von Firmenanteilen sowie durch effiziente Sparpolitik (sprich: Entlassung von unrentablen “human resources”) ständig manipuliert werden. Und wenn dann gar nichts mehr geht, verkauft man sich eben selbst. Koste es, was es wolle.

Nur eine Rückbesinnung auf eine längerfristige, der Allgemeinheit dienenden Geschäftspolitik kann eine stete Vergrösserung der Einkommensunterschiede verhindern. Nach oben begrenzte Löhne (z.B. 1 Mio. CHF pro Jahr) könnten ein Mittel sein, diesen Wahn des selbst zerstörerischen Profitstrebens zu durchbrechen. Wer sich nur bereichern will und sein Maximaleinkommen bereits erreicht hat, wird wohl einfach weniger arbeiten. Andere werden sich aber wieder mehr ums Allgemeinwohl und um unser aller Zukunft kümmern. Packen wir’s an!




CHANCEN ERKENNEN !!

Zwar will sogar die eidgenössische Kommission für Strahlenschutz Mühlebergs und Beznaus Schrottreaktoren nun bald mal abschalten. Gleichzeitig werden aber bereits eifrig neue Gaskraftwerke geplant, um die entstehende Versorgungslücke zu stopfen. Zudem werden seit Jahren jegliche Versuche, eine Abgabe auf nicht erneuerbaren Energien einzuführen, zunichte gemacht. Dabei ist allen klar, dass die Schweiz die Ziele des Kyoto-Protokolls (Reduktion der Treibhausgasemissionen auf den Stand von 1989) so niemals erreichen wird.

Der fehlende Mut zum Aufbruch und der immer noch grassierende Glaube, mit zukünftigen Technologien alle heute verursachten Probleme lösen zu können, machen jegliche Anstrengungen zunichte, vorwärts gerichtete Ansätze umzusetzen. So verkennen die meisten Politiker immer noch, dass sich z.B. mit einer Förderung von heutigen, ökologischen Heizsystemen (Wärmepumpen, Sonnenkollektoren, Geothermie, Biogas) eine drastische Einsparung von Öl und Gas erzielen liesse. Wir könnten so Kosten und CO2-Emissionen senken und ausserdem zusätzliche Arbeitplätze in der Forschung, in der Baubranche, im Dienstleistungssektor – ja sogar in der Landwirtschaft (Biogas) – generieren. Diese Chance wird jedoch nicht erkannt!

Unsere Weltordnung befindet sich an einem Wendepunkt: Sozialsysteme bröckeln, für Ressourcen ziehen Nationen in den Krieg und gravierende Folgen unseres Handelns werden immer mehr spürbar. Nur wenn Prominente und Entscheidungsträger ihre Rolle als Führer und Vorbilder der Gesellschaft endlich wahrnehmen und echte Nachhaltigkeit fordern und vorleben, besteht in mittlerer Zukunft eine Chance, Mehrheiten für unser aller Anliegen zu finden: Einen Erhalt unserer Wohlfahrt. Ansonsten werden uns unsere Nachkommen hassen. Wir – die wir innert 50 Jahren wissentlich das ganze Kapital unseres Planeten verprasst haben! Die Osterinsel lässt grüssen.




KEINE MENSCHEN AUSGRENZEN !!

Papierlose sind Menschen, die vor materieller Not und politischer Repression aus ihren Herkunftsländern fliehen mussten und in den westlichen Staaten aus fadenscheinigen Gründen trotzdem nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Durch die Illegalität gezwungen, suchen sie sich eine versteckte Arbeit – oft für tiefste Entlöhnung und ohne rechtlichen Schutz.

Eine menschenwürdige Wohnung, einmal Freunde zum Essen einladen, aber auch ein Arztbesuch oder die schulische Ausbildung der Kinder – viele dieser Grundbedürfnisse können aus finanziellen Gründen nicht gedeckt werden. Zudem werden sie ihnen oftmals aufgrund ihres rechtlichen Status’ verwehrt oder bestimmte Tätigkeiten können nur unter dem ständigen Risiko eines Erkanntwerdens durchgeführt werden. Jede Unachtsamkeit nahe stehender Personen könnte eine Meldung bei der Fremdenpolizei und eine Ausschaffung zur Folge haben. Dieser fehlende rechtliche Schutz und die ständige Existenzangst der “Sans-Papiers” werden bewusst ausgenutzt.

Wenn wir am 24. Sept. die fremdenfeindlichen Gesetze annehmen, machen wir uns verantwortlich dafür, dass genau diese Menschen hier bei uns weiterhin gezwungen sind, als Schwarzarbeitende, im Drogenhandel, in Prostitution usw. ihr Einkommen zu bestreiten. Diese beiden mittelalterlichen Vorlagen, die ausserdem der Genfer Menschenrechtskonvention widersprechen, gilt es darum klar zu verwerfen!

Die Backnanger Kreiszeitung (24.7. 2006) berichtete, dass die Marbacher Stadtverwaltung nunmehr auch zu ähnlichen Methoden wie "die" Kommunikationsguerilla gegriffen hat und sogleich dafür einen Rüffel kassiert hat:

"Schiller-Zusatzschilder müssen von den Ortsschildern runter

Marbach Schillerstadt, so lauteten die Zusatzschilder, die die Stadt im Jahr des 200. Todestages klammheimlich in einer Nacht- und Nebelaktion über den Ortsschildern hat anbringen lassen. Doch damit soll nun Schluss sein ...

Schweren Herzens muss die Stadt den Namen ihres berühmten Sohnes von den Schildern nehmen. Offensichtlich hat der Zusatz den Verantwortlichen im Innenministerium nicht gepasst. Der Marbacher Schilderstreich, so ihre Befürchtung, könne womöglich Schule machen."

Aber inzwischen wissen die Marbacher, dass man der Obrigkeit nicht einfach Folge leisten darf ...

So ist der Flugzeugausgabe der "WELT" (3.8. 2006) das Ereignis ein Bild und eine Bildunterschrift wert: "Abschrauben! Die Stadt Marbach hate ine Anweisung des Innenministeriums in Stuttgart umgangen. (...)"

"Marbach am Neckar
Schillerstadt widersetzt sich im Schilderstreit

Marbach am Neckar schmückt sich gern mit seinem Dichter Friedrich Schiller, der hier geboren wurde. Die Stadt hat sich einer Anweisung des Stuttgarter Innenministeriums widersetzt, den Zusatz "Schillerstadt" von ihrem Ortsschild zu entfernen.

MarbachBürgermeister Herbert Pötzsch deutet auf das Ortsschild von Marbach am Neckar (Quelle: SWR)

Das Ortsschild von Marbach am Neckar mit dem Zusatz Schillerstadt Der Grund für die Anweisung: Zusätze auf Ortsschildern sind verboten, weil es sich bei ihnen um amtliche Verkehrschilder handelt. Anstatt nun, wie verlangt, das am Ortsschild angebrachte Zusatzschild komplett zu entfernen, überklebte die Stadt lediglich den Schriftzug. Dort steht nun: "Schillerjahr 2009", denn Marbach feiert im Jahr 2009 den 250. Geburtstag von Schiller.

Den ursprünglichen Schriftzug "Schillerstadt" hatten die Verantwortlichen eigenmächtig anlässlich des Schillerjahres Anfang 2005 über dem amtlichen Ortseingangsschild angebracht. Laut Bürgermeister Herbert Pötzsch aber bleibt das Ziel von Marbach, eines Tages sich ganz legal Schillerstadt nennen zu dürfen, so wie andere Städte den Zusatz Universitätsstadt oder Landeshauptstadt tragen dürfen. Pötzsch: "Das Schlimmste was jetzt passieren kann ist, dass die Schilder entfernt werden und die Arbeitszeit uns in Rechnung gestellt wird."


Oh, es ist so also ob sich der Marbacher Denkmalkrieg von anno 1830 ff. wiederholen würde ... aber man sollte vorsichtig sein mit historischen Vergleichen ...

würde gegenwärtig die CDU-Berlin im Wahlkampf betreiben, meint jedenfalls mal wieder die Berliner taz (2.8. 2006), wenn sie Mitglieder dazu animiere, Leserbriefe zu schreiben. Was damit gemeint sein könnte, erschließt sich weder über die angegebenen CDU-Webseiten noch was sie damit meint, die liebe taz, die hier neulich schon einmmal für ihre Halbbildung in Sachen Begriffsverwendung wg. Kommunikationsguerilla ermahnt wurde. Aber werte GenossInnen, nicht mehr bewegungsnah sein wollen ist die eine Seite, die Begriffe falsch verwenden ist auch für eine "normale" Zeitung eine Todsünde:

"Da ist sein Konkurrent von der CDU einen Schritt weiter. Seinen Lebenslauf findet man unter friedbert-pflueger.de sogar auf Türkisch. Zudem gibt es eine in Teilen großartige Fotosammlung, die beweist, dass Pflüger auch schon mal Prominente getroffen hat. Über die Seite cdu-berlin.de erfahren "Pflüger's Friends", wie sie ihrem Kandidaten mit klassischer Kommunikationsguerilla zu mehr Öffentlichkeit verhelfen können: "Schreiben Sie einen Leserbrief!""

Vorbemerkung: Die Vorversion dieses Eintrags ist bereits Mitte Juli geschrieben worden. Inzwischen ist die Autorin dieser Zeilen aber auf den Eintrag "Uncle Rooneys World" von Ivo Bozic (Redakteur der Jungle World) in dessen eigenem Blog "Planet Hop" gestoßen. Ivo Bozic erklärt dort, wie die Sache aus seiner Sicht gelaufen ist. Sein Eintrag beginnt mit einem Satz, den wir nur unterschreiben können: "Die Geschichte könnte aus dem Handbuch der Kommunikationsguerilla stammen." Das drückt sich schon allein darin aus, dass auch hier ein Eintrag zum Rooney-Fake vorbereitet worden ist (dann aber doch nicht öffentlich gemacht wurde, was im folgendem nachgeholt wird). Der Witz daran ist aber, dass uns vor allem interessierte, warum die Jungle World, sprich Ivo Bozic, darauf reingefallen ist (immerhin einer in dieser Redaktion, den wir ernst genommen haben bzw. ernst nehmen).
Die Jungle World (28.6. 2006) ist wie andere deutschen Zeitungen (Spiegel Online) ein Opfer ihres eigenen Begehrens geworden. In einer Zeit des massiven WM-Nationalismus war insbesondere diese Redaktion ein potenzielles Opfer des Bremer Germanisten Martin Rooney, der sich als Onkel des englischen Fußballstars Wayne Rooney ausgab. Unter der Überschrift "»Für die Toten des Luftkriegs ist Hitler verantwortlich«" veröffentlichte die linke Version des Focus, die Jungle World, ein Interview mit einem Wissenschaftler, der allein schon wegen seiner Biographie (die wir aber nicht überprüfen können) gerade für unsere Avantgarde einer vor allem moralisierend angelegten Ideologiekritik besonders attraktiv ist (unter anderem wollte ihm die Friedensbewegung einen Preis an ihn wieder aberkennen, da er die Friedensbewegung kritisiert hat). Also einer so recht nach dem Geschmack von Leuten, die Verbalradikalismus und Distinktion mit Kritik verwechseln und deshalb auf der Suche nach jemandem wie Rooney ist, der all das sagt, was man zu hören wünscht. Den Mainstream-Medien hat der Bremer Germanist den Bären mit dem jungen Rooney aufgebunden, und dass derselbe sich früher nicht benehmen konnte, und die Jungle World wurde mit jener Mischung bedient, die ihn als Kronzeugen für das Begehren auf der Seite der Guten zu stehen prädestiniert:

"Ein Onkel von mir war bei den Desert Rats, also der 7th Armoured Division, die Hitlers Wehrmacht in El Alamein besiegt hat, und er ist dann bis nach Hamburg gekommen. Ein anderer Onkel zählte zu den ersten englischen Soldaten, die in der Normandie gelandet sind ..."

Da haben wir ihn, den Vorzeige "Anti-Deutschen", und wenn das jemand von sich behaupten kann, dann nimmt ihm die Jungle-World auch jeden anderen Scheiss ab.


"Martin Rooney ist ein Onkel des englischen Fußballstars Wayne Rooney. Der britische Germanist und Philosoph lebt seit 1973 in Bremen. Er beschäftigt sich u. a. mit Manès Sperber und George Orwell und war 15 Jahre lang Vorsitzender der Armin T. Wegener-Gesellschaft. Mehrere Mitglieder der Familie Rooney waren im Zweiten Weltkrieg aktiv an der Niederschlagung Nazi-Deutschlands beteiligt. Der 57jährige Rooney bekam 2003 den Bremer Friedenspreis zugesprochen, der ihm jedoch zunächst wieder aberkannt wurde, weil er sich kritisch über die deutsche Friedensbewegung geäußert hatte. "


Inzwischen hat sich Ivo Bozic in seinem eigenen Weblog zu diesem Interview geäußert:

"Dass sich die anderen Medien so derart für Martin Rooney interessierten, nur weil er ein Onkel von Wayne sein soll, habe ich ohnehin nicht ganz verstanden, aber gut, warum auch nicht. Es ist WM, da wird halt jede noch so kleine Story gerne genommen, und die Interviews mit ihm in Rund oder die Story in der ARD waren ja auch hübsch. Deshalb allein hätte ich ihn allerdings nicht interviewt. Mich hatte der Mann deshalb interessiert, weil er ein angesehener Wissenschaftler ist, der sich jahrzehntelang sehr verdienstvoll mit der Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern beschäftigt und die Biografie Armin T. Wegeners verfasst hat, und im Jahr 2003 einen Friedenspreis zugesprochen und wieder aberkannt bekam, weil er völlig zu Recht den Antiamerikanismus und die fehlende Reflexion des Saddam-Hussein-Regimes in der Friedensbewegung kritisiert hatte."

Genau. Und so steht es im Handbuch der Kommunikationsguerilla über die Fakes von Il Male (S. 71): "Die Fakes griffen das Begehren der Leser auf und realisierten es in einem vieldimensionalen Raum der falschen Wahrheiten und wahren Fälschungen."

Und es geht in diesem Interview nur um das Begehren der Jungle-World-Redaktion, wenn Ivo Bozic dann auch das Thema Rooney sofort hinter sich lässt und die ihm naheliegenderen Ansichten des britischen Anti-Deutschen abfeiert, wobei Rooney in Sachen "Fußballpatriotismus" bezeichnenerweise etwa zurückhaltend bleibt:

"Wenn Sie auf den Straßen das schwarzrotgoldene Fahnenmeer sehen und die Deutschen über ihr neues, unbeschwertes Verhältnis zur Nation reden hören, was denken Sie dabei?

Wenn ich Fußball gucke, schalte ich zu Spielbeginn den Fernseher ein, und während der Halbzeit und nach dem Abpfiff sofort aus, so dass ich das Drumherum gar nicht so mitbekomme. Ich will die Dummschwätzer nicht hören, die da spekulieren und sich wichtig tun. Über die Stimmung denke ich, dass wir einen saumäßigen Winter hinter uns haben, und viele Leute wollen einfach feiern bei diesem wunderschönen Wetter. Wie das insgesamt einzuschätzen ist, dazu muss man das Ende der WM abwarten. Es kann natürlich jederzeit irgendetwas passieren, was die Situation sehr schnell ändert.

Das WM-Motto ist »Die Welt zu Gast bei Freunden«. In England erinnert man sich noch gut daran, wie es war, als die Deutschen zuletzt dort »zu Gast« waren …

Die Deutschen waren nicht »zu Gast« in Großbritannien, dafür haben unsere Streitkräfte gesorgt. Die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus ist ständig präsent in den englischen Medien. Und man wird sich weiter mit der deutschen Vergangenheit beschäftigen, ob in England, Amerika oder Israel – egal, ob das gewissen Kreisen in Deutschland passt oder nicht. "


In diesem Interview interessiert sich nicht wirklich jemand für Wayne Rooney, die Sache wurde einfach als Vorlage gespielt um die ewig gleiche Leier zu bedienen. Antiamerikanismus und Antisemitismus. Es geht dabei keineswegs um eine berechtigte Kritik inhaltlicher Problematiken innerhalb von Anti-Kriegsbewegungen oder aktuellem Nationalismus (es wird der historische Nazismus immer wieder in einer Weise aktualisiert, dass dieser Bezug den gegenwärtigen Nationalismus verharmlost).

Martin Rooney (vorausgesetzt - er meint das wirklich ernst) und Ivo Bozic interessieren sich nicht wirklich für eine Analyse, sie bedienen das anti-deutsche Ressentiment, das nur das Spiegelbild ihres Gegenübers ist und somit das mit hervorruft, was es eigentlich zu bekämpfen gilt. Die Wahnidee der Nation. Da sie sich aber auf eine Seite zu schlagen glauben müssen (was im Falle von Israel nicht das Schlimmste ist), ist diese Kritik bestenfalls für die Katz, schlimmstenfalls blind für das mörderische Potenzial eines veränderten Nationalismus. Weil es zuviele gibt, die glauben deutschen Nationalismus noch mit der Geschichte in Schach halten zu können, sind "die Linken" dem gegenwärtigen WM-Nationalismus so hilflos gegenübergestanden. Dafür trägt der politische Einfluss der Antideutschen einen Gutteil der Verantwortung.

Aber da es hierbei in erster Linie um Distinktion und nicht um Analyse und Kritik geht, prallt auch jeder aufklärerischere Gedanke an dem hier vorliegenden "Ticket-Denken" (Adorno) ab.

 

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