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aus dem "Alles oder Nichts - Aufgeklärter Nihilismus"-Weblog von
"bagarozy", der aber im März 2004 zuletzt bespielt wurde, insofern die Gefahr besteht, dass das Weblog demnächst geschlossen wird:

bei der durchforstung meiner studienunterlagen habe ich einen hingekritzelten text zum "torten-attentat" auf rektor winckler (20.01.04) gefunden. er ist lang und unaktuell, aber mein weblog will gefüllt sein...

der saal im hof des universitäts-campus, gleich neben dem universitätsbräu, ist gut gefüllt. vorne sitzen die etablierten, adrett gekleidet, eine bürgerliche miene der angespanntheit aufgesetzt. zahlreiche professoren sind im publikum. ich komme neben dem philosophen konrad paul liessmann zum sitzen. er spricht meiner kollegin davon, dass die reform einer institution nicht gegen den großteil ihrer mitarbeiter durchgeführt werden kann. gespannt sei er auf die stellungnahmen von rektor winckler und sektionschef höllinger.

schwenk zum podium. dort sitzen öh-vorsitzende fuchs, besagter winckler, nämlicher höllinger, plus eine dame, die wohl freie lektorin ist. und freilich josef broukal, ich hätt' ihn glatt vergessen. als moderator fungiert die elmar oberhauser-ausgabe von ö1, ein gewisser haidinger. hinter den diskutanten haben sich transparente aufgetan. die basisgruppe politikwissenschaft hält den slogan "hört auf zu studieren, beginnt zu begreifen" gen raumdecke, der vsstö, kurioserweise mitveranstalter, hat den spruch "winckler ruiniert die uni" gleich hinter dem rektor zum stehen gebracht. "das geht nicht, sagt's dem pepperl (anm. broukal), dass die das weggeben sollen", moniert ein offenbarer spö-vertreter. er wird später die studenten im saal lautstark trotteln nennen.

noch lächeln die podiumsteilnehmer. die große anzahl an studierenden, die sich im hinteren teil der aula eingefunden haben und nicht ans niedersitzen denken, erfüllt sie jedoch mit feierlichem unbehagen. vor allem an wincklers gesicht ist dies abzulesen.

getraud knoll, die leiterin der spö-zukunftswerkstätte und initiatorin der veranstaltung, spricht das eröffnungsstatement. sie wisse um die brisanz des themas. sie freue sich, dass sich nun endlich alle streitparteien zu einer diskussion zusammenfinden. dann sagt sie die a posteriori tragikkomischen sätze: die veranstaltung soll ein startschuss für eine neue streitkultur im harmoniesüchtigen österreich sein.

der ö1-mann erteilt patrice fuch das wort. die öh-vorsitzende hat mühe angriffig zu wirken, bringt aber dann "die alten, konservativen männer" ins spiel, der saal gröhlt. vereinzeltes grinsen unter den etablierten. auch liessmann lacht.

sigurd höllinger wird das wort erteilt. doch zum sprechen kommt er nicht mehr. ein tosender applaus wird von ein paar studierenden angestimmt, die menge klinkt sich ein. als kampfklatschen wird dieses phänomen in der apa-meldung begrifflich gefasst. die kameras - der orf ist da und zahlreiche studenten mit digicams filmen und knipsen, pressevertreter machen eifrig notizen - schwenken ins publikum. das klatschen wird lauter, verzweifeltes lächeln am podium. seltsame stimmung. jodler, "zugabe"-chöre mischen sich ins klatschen. kein ende in sicht. getraud knoll versucht zu besänftigen: "eine diskussion ist nicht möglich, wenn ihr reden von vornherein verhindert." sie wird nicht gehört.

es wird weiter geklatscht. die adrett gekleideten werden langsam unruhig. "das ist dumm", meinen sie. knoll versucht sich erneut als don quichotte. aber die windmühlen klatschen, johlen weiter. sie will sich gerade mit höllinger besprechen, macht schritte in seine richtung, als, ja, als eine torte in den mittelpunkt des geschehens rückt.

"fünf, vier, drei...." wird plötzlich von den studenten in der dritten reihe links, den initiatoren des kampfklatschens, heruntergezählt. bei eins macht's - klatsch. rektor winckler hat eine torte im gesicht. der "attentäter" läuft hinaus. eine mitarbeiterin schirmt winckler sogleich mit einer jacke ab. zwei männer, offenbar sicherheitskräfte, jagen dem torten-boy hinterher. es gemahnt an tom & jerry.

im saal reagiert das chaos. auch höllinger soll eine torte abbekommen haben, ich sah es nicht. nur die reste der torte zeugten davon (es war wohl schoko). die podiumsteilnehmer springen jedenfalls auf. um winckler bildet sich eine traube. kameras und fotoapparate werden von oben in die menschenmasse gehalten. eine rangelei ist zu beobachten. dann flüchten die getorteten in ein hinterzimmer.

auch patrice fuchs hat auf der rückseite ihres pullovers tortenspuren. sie war neben winckler gesessen. drei burschen, offenbar vom vsstö, jedenfalls von der öh-exekutive, zitieren sie zu ihnen. "wir müssen uns als öh distanzieren", sagen sie aufgebracht. "aber wie?", fragt fuchs verwirrt. sie wirkt nicht sehr entschlossen. "wo ist der ralph (anm. schallmeiner, öh-vorsitzender der gras)?" will sie wissen. "scheiß auf den ralph. wir machen's am besten über die apa."

zornig ist ein großer teil im vorderen sektor des saals. hinten stimmen einige studierende anti-winckler-lieder an. broukal ist aufgebracht, knoll bestürzt, liessmann bringt die stimmung auf den punkt: worte statt torten wären ihm lieber gewesen. "ich hätt schon einiges kritisches zu sagen gehabt", pflichtet einer seiner kollegen bei.

derweil sind die tortenreste begehrte fotomotive. studenten legen das papier-schildchen mit dem namen "georg winckler" neben die tortenreste auf den boden. ein sicherheitsmann schnappt das schild: "nicht sehr geschmackvoll."

der saal leert sich schön langsam. winckler ist immer noch im hinterzimmer. der orf hat seine bilder im kasten, zieht ab. endlich kommt der rektor zurück in den saal. er trägt ein lächeln auf den lippen. sein anzug weist keine tortenspuren auf. sicherheitskräfte begleiten ihn, höllinger und noch ein paar andere hinaus. die patrouille marschiert nur ein paar meter. dann biegt sie links ins gasthaus universitätsbräu ein. lauter alte, konservative männer. eine torte ist symbol der neuen streitkultur.


"Tortierung" ist eine schöne Begriffsbildung und dem akademischen Umfeld überaus angemessen.
 

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