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So langsam dringen die Nachrichten über die neueste Tortung von BHL auch in die deutschsprachige Öffentlichkeit. So lesen wir in der Frankfurter Rundschau (25.3. 2006) nicht nur klammheimliche Freude:


PLAT DU JOUR
Torten

VON MARTINA MEISTER

Was verbindet Bill Gates und Marguerite Duras, Jean-Luc Godard und Nicolas Sarkozy? Was haben Bill Clinton und Bernard-Henri Lévy gemeinsam? Nicht dass Sie mich jetzt missverstehen: Das hier sind keine Fragen aus dem Hessischen Fragebogen zur Einbürgerung ausländischer Mitbürger ohne Hochschulreife. Eher etwas, was in der letzten Runde bei Günter Jauch nützlich sein könnte. Drum merke: Alle genannten Persönlichkeiten sind einmal Opfer des Belgischen Tortenwerfers Noël Godin geworden. Man sollte
das wissen, wenn man Millionär werden will. Und erst recht, wenn man es bereits ist. So wie Gates oder Lévy.

Godin ist ein Genie. Ein süßer Terrorist. Er backt gut. Spart nicht an Butter und an Sahne. Besonders Brillenträger wie Gates wissen das zu schätzen. Seit 1968 seift er Menschen mit Sahnetorten ein, deren Humor umgekehrt proportional zu ihrem Ego dimensioniert ist. Diese Sprache versteht jeder, der mit Laurel und Hardy und Bugs Bunny aufgewachsen ist.

Das erste prominente Opfer war die Duras. Godin sagte damals: "Sie blieb unbeweglich, körperlos, durchscheinend wie die Figuren ihrer Filme".

Lévy dürfte am meisten Übung haben. Er ist jüngst zum sechsten Mal Opfer der "Internationale Patissière" geworden. Beim ersten Mal, viele Jahre ist das her, warf er Godin zu Boden und drohte ihm Tritte in die "Fresse" an.

Mittlerweile reagiert BHL gelassener, fast so körperlos wie die Duras. Es passierte letzten Samstag auf der Pariser Buchmesse. Er hat dort sein Buch über Amerika vorgestellt. Trat auf als der neue Tocqueville. Das Hemd wie immer blütenweiß. Er hatte sogar ein zweites dabei. Wahrscheinlich hatte ihn der Zeitplan stutzig gemacht. Während er American Vertigo signierte,
präsentierte Godin unweit davon sein Lebenswerk "Torten wir, torten wir, die pompösen Gurken ein!"

BHL ist so eine Gurke. Er soll mit einem halben Dutzend Leibwächter zur Signierstunde gekommen ist, während er sich in Karatschi ganz ohne Personenschutz mit Islamisten zum Tee getroffen haben will. Geholfen hat es nicht. Kaum war er umgezogen, traf ihn die verflixte siebente Torte.

Ich gestehe, ich stelle mir diese köstliche Szene gerne vor. So eine
Sahnetorte ist schließlich nicht richtig verletzend, sie hinterlässt nur unschöne Flecken auf dem Selbstwertgefühl, also dort, wo es am meisten schmerzt. Wie sagen die Franzosen: Le ridicule tue. (Das Lächerliche tötet.)



Auch die Welt (23.3. 2006) berichtet über die Tortung des BHL und liefert auch gleich noch ein bisschen Tortenwurfgeschichte mit:


Torten für die Schnösel

Anarchie

Bernard-Henri Levy ist in Frankreich weltberühmt. Erstens für sein Styling, zweitens für seine Philosophie und drittens für seinen Tortenrekord. Bei seinem Auftritt auf dem Pariser Salon du livre am Wochenende bekam er zum siebten Mal Sahne ins Gesicht. Niemand wurde bisher mehr als einmal von Noel Godin und seinen Anhängern mit einer Torte beschmissen. Die lose Gruppe um den 60jährigen Belgier, die sich mal "Torten-Internationale" nennt, mal "Gloup! Gloup!" hat es sich zum Ziel gemacht, Prominente, die "zuviel Selbstbewußtsein und zuwenig Humor" besitzen, "einzutorten". Godin, Verfasser der Werke "Anthologie der bewaffneten Subversion", "Sahne und Strafe - Erinnerungen eines Eintorters" sowie "Torten wir, torten wir die pompösen Gürkchen ein" sieht sich in der Tradition der Dadaisten, Surrealisten und Jerry Lewis.

Schmerzlos, aber demütigend - das ist die Sprache der politischen Torte, ganz im Sinne des ehemaligen Jura-Studenten, der von den Maidemonstrationen 1968 politisch erweckt wurde. Zum Credo der Torten-Truppe gehört strikte Gewaltlosigkeit, und so nahm es Godin gelassen, als der eingetortete Levy ihn nach einer Attacke 1985 mit einem Aufwärtshaken niederstreckte. Schließlich hätte Levy ihm keinen größeren Gefallen tun können als mit den Fernsehbildern, die anschließend in ganz Frankreich flimmerten: Da steht der Philosoph, der sich in seinen Werken ganz der Toleranz und Vernunft verschrieben hatte, vor dem daniederliegenden Godin und brüllt: "Steh auf, oder ich hau dir den Schädel ein!"

Godins Torten landeten bislang unter anderem in den Gesichtern von Maurice Béjart, Margerite Duras, Jean-Luc Godard (der Humor gezeigt habe und damit sofort von der Liste gestrichen worden sei), Nicolas Sarkozy und Bill Gates. Godins Spaßguerilla operiert also weitaus erfolgreicher als Kunzelmann und seine Kommunarden, die im April 1967 ein Pudding-Attentat auf den US-Vizepräsidenten Humphrey planten, aber festgenommen werden konnten, noch bevor der Pudding fest geworden war.

Mit plumpem Pudding gibt sich Godin als Belgier selbstverständlich nicht ab. Man verwende nur die klassische Sahnetorte, höchstens einen (weichen!) Schokoladenkern dürfe sie besitzen. Sie werde - immer in letzter Sekunde - bei einem örtlichen Patissier bestellt und müsse natürlich von ausgesuchter Qualität sein. "Wenn etwas schief läuft, essen wir sie."

Bisher wurde übrigens noch kein Deutscher eingetortet. Das ist doch mal eine gute Nachricht: Prominente Deutsche sind bescheiden und humorvoll. Iris Alanyali
 

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