0 Kollektives BLOG Mitmachen
a.f.r.i.k.a.-texte
Aktionsvorschlaege
Angewandter Realismus
Anstrengungen zum Begriff
Billboard Liberation
Biographisches
BlogchronikReview
Camouflage
ConsumeYourMasters
Culture Jamming
Cut up Collage Techniken der KG
Faelschungen und Camouflagen
Fake
Gegenoeffentlichkeit
Graffiti
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
icon

 
Das Schwäbische Tagblatt (23.11. 2005) kalauert in seiner Überschrift zum Artikel über die Einstellung des Verfahrens gegen die Tübinger Tortenwerfer:

Sahne verletzte nicht Substanz

"Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen gegen Tortenwerfer ein /Uni-Hausverbot steht noch

TÜBINGEN. Strafrechtlich zumindest wird der Tortenwurf gegen den Vorsitzenden der Hochschulrektorenkonferenz Peter Gaehtgens vom 2. November kein Nachspiel haben. Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat die Ermittlungen gegen die beiden identifizierten Tortenwerfer eingestellt. Unberührt davon bleibt das von Uni-Rektor Eberhard Schaich verhängte zweijährige Hausverbot gegen den Tortenwerfer Tobias K.

Buchegger</a
So eine Torten-Aktion treibt die Erwartungen des Demo-Publikums unverhältnismäßig in die Höhe. Zeichnung: Buchegger


Der gezielte Tortenwurf ins Gesicht des überrumpelten Rektoren-Präsidenten Gaehtgens bei dessen Rede am „Dies universitatis“ im Festsaal der Universität war als Protestaktion gegen die Einführung von Studiengebühren gemeint. Wie berichtet, reagierte der Betroffene selbst gelassen auf den Zwischenfall; Gaehtgens verzichtete auch auf eine Strafanzeige gegen die insgesamt vier Beteiligten.

Kann man das tolerieren?
Die Staatsanwaltschaft Tübingen nahm jedoch die Ermittlungen auf, und zwar wegen Sachbeschädigung und des Verdachts auf gemeinschaftliche Körperverletzung. Dass der bekleckerte Anzug des Gastredners die Justizbehörde in Gang brachte, nicht jedoch die Verletzung seiner persönlichen Würde durch Schoko-Sahne im Gesicht, hat nach Auskunft des Leitenden Oberstaatsanwalts Achim Brauneisen damit zu tun, dass Sachbeschädigung als Straftatbestand von Amts wegen verfolgt wird. Zumal wenn die Beschädigung in aller Öffentlichkeit passierte. Für ein Verfahren wegen Beleidigung muss dagegen ein Antrag des Betroffenen vorliegen.

Im Verlauf der Ermittlungen geriet auch das Vorgehen der Polizei in die Kritik: Dass die Beamten das persönliche Umfeld von K. ausleuchteten und Nachforschungen am Arbeitsplatz eines Mitbewohners anstellten, fand K.s Anwalt Axel Oswald nicht mehr angemessen. Die „unverhältnismäßigen Ermittlungsaktivitäten“, schrieb er an Brauneisen, hätten wohl ein politisches Ziel. Nämlich, eine kritische Meinung, „welche auch mit unorthodoxen Methoden öffentlich vorgetragen wird“, an der Uni „mundtot“ zu machen.

Diesen Vorwurf weist Oberstaatsanwalt Brauneisen von sich: „Ich habe große Sympathie für diejenigen, die ihre Meinung frei äußern.“ Schließlich lasse sich über Studiengebühren „mit Fug und Recht streiten, aber aus unserer Sicht nicht in dieser Form“. Bei der Frage, ob in diesem Fall ein „besonderes öffentliches Interesse“ vorlag, habe die Staatsanwaltschaft einen Ermessensspielraum, jedoch: „Es war eine inszenierte Geschichte auf einer öffentlichen Veranstaltung“, so Brauneisen. Für ihn habe letztlich die Frage im Vordergrund gestanden: „Kann man so eine Form der Auseinandesetzung tolerieren?“
Sein Mandant habe den Eindruck, schreibt der Tübinger Anwalt Axel Oswald an Oberstaatsanwalt Achim Brauneisen, dass „die Art und Weise der Ermittlungstätigkeit“ nicht in erster Linie mit der konkreten Tat und deren Folgen zu tun habe. Wegen dessen vehementem Einsatz für Studiengebühren hatten vier Protestler, unter ihnen K., den Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz Peter Gaehtgens mit einer Schokosahne-Torte beworfen. Gaehtgens selbst hatte auf eine Anzeige verzichtet. Die Staatsanwaltschaft nahm dennoch Ermittlungen wegen Sachbeschädigung auf – und begründete das mit einem besonderen öffentlichen Interesse. Das polizeiliche Ausleuchten von K.s persönlichem Umfeld, etwa die Nachforschungen am Arbeitsplatz eines WG-Mitbewohners, ziele „auf die unliebsamen politischen Aktivitäten unseres Mandanten und Anderer im Zusammenhang mit der Einführung von Studiengebühren“ ab. Oswalds Vermutung: Die „unverhältnismäßigen Ermittlungsaktivitäten“ zielten darauf ab, eine kritische Meinung, „welche auch mit unorthodoxen Methoden öffentlich vorgetragen wird“, im universitären Bereich „mundtot“ zu machen.

Keine Körperverletzung
Die „erkennungsdienstliche Behandlung“ eines Mitbewohners von K. durch die Polizei, samt Fotos und Fingerabdrücken, hielt aber auch die Staatsanwaltschaft für überzogen: „Als wir davon erfuhren“, so Brauneisen, „haben wir die Polizei gebeten, das nicht mehr zu machen“. Auch die erhobenen Daten seien inzwischen vernichtet worden. In den nächsten Tagen, so Brauneisen, werde seine Behörde das Ermittlungsverfahren abschließen. Die Staatsanwaltschaft kam schließlich zu dem Ergebnis, dass an Gaehtgens’ Hemd und Anzug keine „Substanzverletzung“ festzustellen (sie lassen sich reinigen), das Verschulden also gering sei. Als Körperverletzung mochte sie die Torte im Gesicht nicht einstufen. Für die Entscheidung, das Verfahren einzustellen, spielte eine wichtige Rolle, dass die beiden Tortenwerfer bisher unbescholten waren und dass sie durch das Hausverbot für die Uni bereits hart getroffen werden.

Gegen das am Montag endgültig verhängte Hausverbot hat K.s Anwalt Widerspruch eingelegt. Die Verweigerung des Zutritts zu sämtlichen Uni-Gebäuden, so Oswald, beeinträchtige die berufliche Perspektive seines Mandanten, der promovieren möchte, „unzumutbar“."
 

twoday.net AGB

xml version of this page

xml version of this page (summary)

powered by Antville powered by Helma