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In den letzten Jahren ist als Trend zu verzeichnen, dass linke Gruppen und Bewegungen vermehrt subversive Aktionsformen oder Kommunikationsguerilla-Methoden für ihre politischen Interventionen nutzen. Sie knüpfen dabei an Aktionen an, die in den 60er/70er Jahren, aber auch schon früher, eher am Rande von revolutionären und anderen Protestbewegungen entwickelt wurden (z.B. durch die Situationistische Internationale, die Gruppe Spur, Subversive Aktion, Youth International Party). Diese Form der Praxis resultierte auch aus einer Unzufriedenheit mit traditionellen auf Massenmobilisierung zielenden Aktivitäten und der Unflexibilität großer Organisationen, geht meist von kleinen, wenig organisierten Gruppen aus und hat zum Ziel, die öffentliche Kommunikation zu stören und/oder durch eine subversive Nutzung etablierter Kommunikationsformen marginalisierte Inhalte in den öffentlichen Diskurs zu bringen.
Im Gegensatz zu diesem Trend gibt es relativ wenig theoretische Reflexionen, die die neuen Aktionsformen und ihre Attraktivität aus einer historischen, gesellschaftstheoretischen und sozialpsychologischen Perspektive in den Blick nehmen (erste Ansätze dazu gibt es z.B. in Büchern wie "Handbuch für Kommunikationsguerilla" oder "SUBversionen", ansonsten bleiben Publikationen zum Thema meist beschreibend). Um die politischen Potentiale, aber auch Schwächen dieser Interventionsformen genauer zu bestimmen, halten wir eine solche kollektive Theoriearbeit für notwendig – gerade angesichts der fehlenden Beständigkeit und der Vereinzelung der politischen Gruppen, die eine Tradierung der Erfahrungen und Reflexionen erschwert.
Grundsätzlich wäre danach zu fragen, in welcher historischen Situation sich diese Aktionsformen herausbildeten und -bilden, d.h. auf welche gesellschaftlichen Erfahrungen und Veränderungen damit reagiert wird. Vor diesem Hintergrund ginge es dann um eine Analyse der Funktionsweise dieser Aktionen und eine Einschätzung ihres politischen Werts für eine emanzipatorische Praxis. Welche Ziele verfolgen die politisch intendierten Aktionen (Sabotage, Irritation, Aufklärung, Aufbrechen verhärteter Strukturen, Agitation…)? Was macht die Attraktivität dieser Formen aus, welche psychischen Funktionen haben sie für alle Beteiligten von den InitiatorInnen bis zu den AdressatInnen, welche Hoffnungen knüpfen sich an sie? Welches Verhältnis haben sie zur medialen Öffentlichkeit, ist diese Zielscheibe, Medium oder im Gegenteil das Organ, welches die Aktion zum Spektakel macht? Gerade angesichts der Tatsache, dass mittlerweile nicht nur die Werbeindustrie, sondern auch rechte Gruppen mit solchen Aktionsformen arbeiten, ist genauer danach zu fragen, in welchen Situationen und Bereichen und unter welchen Umständen welche Formen der Intervention wirklich als Teil eines kritischen und emanzipatorischen Projekts zu verstehen sind.

Um diese und ähnliche Fragen diskutieren zu können, wird vom 19. bis 20.3. in Hannover eine kleine Tagung stattfinden, für die wir interessierte und interessante ReferentInnen suchen. Veranstalterin ist eine schon länger praktisch und theoretisch tätige Gruppe, die aus den Studierendenprotesten 2003 in Hannover hervorging und seither im inner- und außeruniversitären Kontext möglicherweise subversive Gesellschaftskritik zu betreiben versucht. Auf der Tagung soll es um eine theoretisch fundierte Selbstreflexion politischer Praxis und einen regen Austausch gehen, weniger um akademische, auf eine breite Öffentlichkeit bedachte Präsentation. Geplant sind 20minütige Vorträge, die immer auch einen Bezug zur konkreten Praxis haben sollen und bei Bedarf auch auf einem vorher verschickten, kurzen eigenen oder fremden Text oder anderen Materialien aufbauen dürfen. Im Anschluss an die Vorträge soll rege diskutiert werden.
Anreisekosten der ReferentInnen werden von uns übernommen und wir organisieren auch private Übernachtungsplätze.

Wir freuen uns über jegliche Referatsvorschläge (1 Seite), die bis zum 1.11. bei subversionstagung@gmx.de eintrudeln sollen. (Natürlich freuen wir uns auch über Mails, die nichts mit dem Thema zu tun haben.)

Nicht nur spaßig
Zur nachruflichen Entsorgung Fritz Teufels


Im neuesten ak (ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 552 / 20.8.2010) gibt es eine Würdigung der Würdigungen:

Am 6. Juli starb Fritz Teufel. Er wurde 67 Jahre alt. Ende der 1960er Jahre bekannt geworden durch provozierende Polit-Aktionen und als Mitbegründer der Berliner "Kommune 1", verbrachte Teufel acht Jahre in Haft, unter anderem als Mitglied der Bewegung 2. Juni. Wir baten Klaus Viehmann, der mit Fritz Teufel 1980 zusammen im Moabiter Hochsicherheitstrakt saß, um eine kritische Durchsicht der Nachrufe auf den "Clown mit der Schrottflinte" (Tagespiegel und taz).

Der ganze Artikel


“The Sculpture of Exception” illustrates that collective bodies can also operate outside legal restraints when governments perpetuate crisis through capital consolidation and austerity. The piece draws attention to the possibilities for refusal and non-compliance in the face of such given force and shows a dialectic that forms within this context.

The Sculpture of Exception: The Black Bloc Installation at the Toronto G20 from brandon jourdan on Vimeo.


Unmittelbares Bedürfnis

Warum Fritz Teufel einmal einem Bundesanwalt einen Fausthieb verpaßte

Am Samstag, den 21. Mai 1977 wurden Ronald Fritzsch, Gerald Klöpper, Till Meyer, Ralf Reinders, Andreas Vogel und Fritz Teufel morgens aus der U-Haft in Berlin-Moabit ins Polizeipräsidium am Tempelhofer Damm verbracht. Die »Sechserbande« aus der »Bewegung 2. Juni« wurde beschuldigt, den CDU-Politiker Peter Lorenz entführt zu haben. Da die Ermittler große Beweisnot litten, verfielen sie auf den Einfall, die Beschuldigten sage und schreibe 140 Zeugen vorzuführen. Auf Beschluß von Horst Kuhn, Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, sollte das »auch gegen den Willen der Beschuldigten, erforderlichenfalls unter Anwendung unmittelbaren Zwanges« erfolgen. Bei Reinders, Vogel und Teufel sei »die Haar- und Barttracht (...) zum Zwecke der Gegenüberstellung« so zu ändern, »daß das Aussehen der Beschuldigten wieder dem zur Zeit ihrer Festnahme entspricht«, verfügte Kuhn. Auf zwei lange Tage war die Sache angesetzt, »die Fesselung der Beschuldigten« durchweg gestattet. Gewieft, wie sich Ermittlungsrichter Kuhn vorkam, sah er von einer »vorherigen Anhörung« zum Zwangsvorführungsprogramm ab, »weil dadurch der Zweck der geplanten Maßnahmen gefährdet würde«.

Schließer und Polizeibeamte nutzten die Gelegenheit, ihr Mütchen an den Genossen zu kühlen. Als die Gefangenen sich ihrer Überführung widersetzten, erhielten sie Schläge in die Nieren. Haarbüschel wurden ausgerissen. Bei der Vorführung auf dem Präsidium standen dann hinter jedem Gefangenen mehrere Polizisten. Ein Beamter hielt den Kopf fest, ein anderer hantierte mit einer am Handgelenk befestigten Knebelkette. Versuchten die Gefangenen, den Kopf zu senken oder die Augen zu schließen, wurden die Knebelketten in drastischer Weise zugeschnürt. »Na, gib ihm doch!« riefen die Polizisten. »Dreh mal fester– guck mal, wie schön meiner steht!« oder: »Zwei Umdrehungen sind noch drin, Fritze!« Die Hände einiger Gefangener liefen blau an. Bei Reinders platzte die Haut in Richtung Ellenbogen auf. Er blutete stark.

»Am Sonntag morgen hatten dann drei von uns das rechte Handgelenk verbunden«, schrieb Teufel später. Er schnitt sich für den Sonntag mit einer Rasierklinge »so gut es ging« eine Glatze und schminkte mit Stempelkissen, Schuhwichse und Lippenstift sein Gesicht. Ein Bundesanwalt versuchte ihm währenddessen »die ganze Zeit« weiszumachen, daß ein zwangsweise durchgeführtes Gesichtwaschen »juristisch gedeckt« sei. Wie es der Zufall wollte, lief dieser Anwalt dem Genossen einige Tage später bei einem Haftprüfungstermin im Kriminalgericht Moabit über den Weg. »Das ist er!« rief Teufel laut Bundesgerichtshof, und schlug dem Staatsanwalt Herbert Dörfler »mit der Faust ins Gesicht. Dabei zerbrach das Glas der Brille des Geschädigten.« Der erlitt »unter dem linken Auge eine erheblich blutende offene Verletzung«.

Teufel wertete den gezielten Hieb zutreffend »als Vergeltung für die Gegenüberstellungsmaßnahmen vom 21./22. Mai 1977«. Das bewahrte ihn leider nicht vor einer vierwöchigen Arreststrafe, die ihn allen Ernstes »nachdrücklich zur Einhaltung der Ordnung in der Haftanstalt« anhalten sollte, wie es Ermittlungsrichter Kuhn formulierte. Johannes Agnoli fand Jahre später die schöne Formulierung: »Befreiung ist ein unmittelbares Bedürfnis, das sich zum Beispiel in dem stillen Wunsch eines jeden Untergebenen (...) konkretisiert, dem jeweiligen Vorgesetzten einmal einen Fußtritt zu verpassen.«
In vielen Nachrufen auf Fritz Teufel wurde dieser für seinen böse-spitzbübischen Humor und seine feine Intellektualität gerühmt. Völlig zu Recht, allerdings: Soviel Vereinnahmung des am Ende völlig verarmten Genossen durch das Bürgertum war nie! Dabei gerät wohl nicht ganz zufällig der immer wieder auch gegen die herrschende Ordnung und ihre Schergen handfest konfrontationsbereite Fritz Teufel völlig aus dem Blick. Deswegen mußte diese Geschichte hier erzählt werden.

Junge Welt, 17.07.2010 / Feuilleton / Seite 12

via Anne Roth

 

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