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Die subversive Affirmation von Neo-Nazismus und Rassismus ist ein schwieriges Geschäft. Guter Wille und das Bewusstsein dagegen zu sein ist keine Garantie, dass einen die schlechte Wirklichkeit nicht schon längst überholt hat. Ein anderer Aspekt ist der, dass die Präsenz von bestimmten Zeichen im öffentlichen Raum für unterschiedliche soziale Gruppe sehr verschiedene Implikationen bedeutet. Neonazistische Zeichen oder leicht abgewandelte ironisierte Zeichen sind nicht immer eindeutig und die formale Struktur eines solchen verfremdeten Zeichen können bei den potentiellen Zielen neonazistischer GEwalt auch die Angst erhöhen helfen. Da hilft die gute Intention nichts dagegen. Aber das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass es ein für allemal tabu ist, die formale Struktur neonazistischer Zeichen zu nutzen und deren inhaltliche Bedeutung ad absurdum zu führen. Ein nettes Beispiel hierfür ist die "Front deutscher Äpfel" (FDÄ: http://www.apfelfront.de/)
In Sachsen, in denen neonazistisches Symbolgut zum Alltagsbild gehört, könnte dieses Vorgehen ein probates Mittel sein. Wir würden darüber gerne weiter diskutieren ... vgl. a. http://www.apfelfront.de/erklaerung.pdf
thomas2 meinte am 1. Jul, 16:30:
Weitere Fragwürdigkeiten
Einen komischen Beigeschmack hinterlässt auch die Tatsache, dass die "Front deutscher Äpfel" sich an dem von der deutschen Bundesregierung veranstalteten Jugend-Politik-Festival in Berlin beteiligt hat. Kritiker meinten schon damals, deren Auftritte seien ziemlich nach hinten losgegangen, mit Akteuren, die sich in ihren Kostümfaschismus hineingesteigert haben und so die faschistischen Zeichen letztlich stärker als die Parodisten blieben.

Meinen Respekt hätte die Apfelfront dann, wenn sie sich wirklich in die Hóhle der Löwen von NPD-Kundgebungen und Faschisten-Aufmárschen wagen und _dort_ ihre Irritations-Show abziehen würden. 
christian123 antwortete am 2. Jul, 00:30:
Laut Programm des von dir genannten Berlin05-Festivals waren 'Aktionen' der Apfelfront in deren Zelt vorgesehen. Als ich mir eine solche (ich glaube, die erste) anschauen wollte, fehlte das Zelt, und die Aktion bestand dann im 'Einmarschieren' von ein paar versprengten jugendlichen Apfelfrontlern in ein anderes Zelt, dessen Besitzer verdächtigt wurden, der Apfelfront das Zelt geklaut zu haben, und dem Wieder-Hinaus-Marschieren nach wenigen Sekunden. Ein späteres Vorbeispazieren zeigte, dass danach irgendwann die Apfelfront auch ein eigenes Zelt bekommen zu haben schien, vielleicht liefen dann ja doch noch etwas mehr an 'Aktionen'.

Wesentlich interessanter als dieser etwas verkorkst wirkende Auftritt wirkte dagegen ein kleiner Film über die Apfelfront, der auf dem Festival an anderer Stelle gezeigt wurde und das Treiben in Leipzig dokumentierte: Beteiligung an Gegendemos zu Christian-Worch-Aufmärschen, pseudo-nationalistische öffentliche Reden mit vielen Blut-und-Boden-und-Apfel-Phrasen, Fackelumzüge mit abstrusen Parolen ... Es erweckte durchaus den Eindruck, dort in Leipzig sich etwas ernsthafter und aktiver zu versuchen. Der Kommentartext des Films und das Interview mit einem Herren, der möglicherweise der Kopf des Ganzen sein könnte (er sah auch etwas älter aus als die meisten ansonsten eher in jugendlichem Alter stehenden Apfelfrontler) hob auch hervor, dass die Auftritte nicht nur gegen die offen sich rechtsextrem gebenden Neonazi-Anhäufungen in Sachsen sich richteten, sondern - durch Über-Affirmation - auch gegen eine politisch im öffentlichen Diskurs als weniger fragwürdig wahrgenommene Vorstellung eines 'guten Nationalismus' und derart auch sich bürgerlich gebendere Politiker provoziere (wobei ich mich nicht entsinnen kann, dass ein konkretes Beispiel für eine solche Reaktion gegeben worden sei).

Übrigens würde ich die bloße Teilnahme an besagtem Festival nicht als Vereinnahmung durch den Mitveranstalter deutsche Bundesregierung betrachten - das Spektrum der Teilnehmer reichte von bürgerlichen Gruppierungen über ['solid] bis zum Chaos Computer Club. 
contributor antwortete am 4. Jul, 10:49:
Kostümfaschisten?
Geht' wirklich darum, ob die irgendwo mitmachen, wo andere Böse (oder auch Gute - wie die Antwort von Christian123 in Verteidigungsstellung vorbringt?) auch noch sind? Geht es um "Respekt"? Das ist doch Banane (um im Südfrüchtejargon zu bleiben). Es geht nicht um die Konfrontation mit den Nazis, sondern um die Entwertung ihrer Symbole und ihrer Alltagspräsenz. Das ist noch kein Heilmittel für eine Delegitimation ihrer Inhalte, die muss gleichzeitig auf anderer Ebene und mit anderen Mitteln parallell laufen.

Die Frage die wirklich interessant ist, lässt sich aber nur schwer beantwortet. Thomas2 behauptet, die FDÄler hätten sich "mit Akteuren (...) in ihren Kostümfaschismus hineingesteigert (...) und so (seien) die faschistischen Zeichen letztlich stärker als die Parodisten (ge)blieben."

Was zu zeigen wäre. Dies ist zunächst eine Behauptung und ich hab das Gefühl, dass hier so jeder nach Gusto argumentiert. Wer misst das eigentlich wie?

Zum anderen würde ich schon darauf bestehen, dass Kommunikationsguerilla keine Parodie ist. Die KG arbeitet mit parodistischen Mitteln, aber es darf sich nicht darauf beschränken, sonst befinden wir uns wieder auf der Bühne des Kabaretts. Damit wird Aufklärung auf die Distinktionsbemühungen des Bildungsbürgertums reduziert. Es geht eben um mehr als nur um Lächerlichmachen. Es geht um die Entmachung ihrer Zeichen im öffentlichen Raum. Wenn es der Front deutscher Äpfel gelänge mit ihrem dadaistischen Instrumentarium die Nazi-Ideologie auf dieser symbolischer anzugreifen und vor allem zu entwerten, dann trägt sie dazu bei, die Nazipräsenz zu delegitimieren. Wer mehr verlangt, berücksichtigt nicht, dass KG immer nur im Kontext anderer Maßnahmen erfolgreich sein kann. 
thomas2 meinte am 4. Jul, 15:01:
Eben: keine Subversion, sondern misslungenes Kabarett
Contributor schrieb:

> Geht' wirklich darum, ob die irgendwo mitmachen, wo andere Böse
> (oder auch Gute - wie die Antwort von Christian123 in
> Verteidigungsstellung vorbringt?) auch noch sind?

Ja, es darum geht es, denn Subversion von Zeichen ist immer kontextabhängig. Wie es im Artikel von kg2u heisst, können "die formale Struktur eines solchen verfremdeten Zeichen [...] bei den potentiellen Zielen neonazistischer GEwalt auch die Angst erhöhen helfen". Subversion von Zeichen richtet sich ja, wenn sie politisch ist, gegen herrschende Codes. Glücklicherweise sind wir - auch bei 9% NPD-Stimmen in Sachsen - noch davon entfernt, dass Neonazi-Symbole der herrschende Code dieser Gesellschaft sind. Marschiert die Apfelfront dort auf, wo ansonsten zivile Codes herrschen, verstärkt sie unwillentlich nur die Präsenz und Akzeptanz faschistischer Symbolsprache. - Welche Gefühle ein Apfelfront-Aufmarsch bei jemandem auslöst, der nicht oder nicht gut deutsch spricht, steht dabei sowieso noch auf einem anderen Blatt. Ich bin jedenfalls froh, dass schwarzen amerikanischen Freunden von mir, die einen Tagesausflug nach Dresden gemacht haben, die Apfelfront erspart geblieben ist.

> Geht es um "Respekt"? Das ist doch Banane (um im
> Südfrüchtejargon zu bleiben).

Jemand, der politischen Mut hat, hat meinen Respekt. Die Apfelfront hätte meinen Respekt, wenn sie ihre Zeichensubversion dort betreiben würde, wo die faschistischen Codes tatsächlich die herrschenden Codes sind, also z.B. inmitten von NPD-Aufmärschen oder bei Nazirock-Konzerten, und wenn es ihnen tatsächlich darum ginge, die Faschisten zu irritieren und lächerlich zu machen. Wenn auf Bildern von Nazi-Demos zwischen den Reichskriegsflaggen Apfel-Fahnen wehen würden, wäre das eine wirklich gute Subversion. Ausserhalb dieses Kontexts bringt der parodistische Kostüm- und Kabarettfaschismus [mehr ist es nämlich nicht, was die Apfelfront betreibt] gar nichts, weil alltäglicher Rassismus und faschistoides "gesundes Volksempfinden" sich eben nicht in Nazi-Gewand kleidet, sondern gutbürgerlich und biedermeierlich daherkommt. Um gegen diese Mentalität subversiv anzugehen, müsste sich die Apfelfront äusserlich genauso spiessbürgerlich geben. 
kg2u antwortete am 5. Jul, 15:42:
Subversion der Südfrüchte
>>Geht' wirklich darum, ob die irgendwo mitmachen, wo andere Böse
>> (oder auch Gute - wie die Antwort von Christian123 in
>> Verteidigungsstellung vorbringt?) auch noch sind?

> Ja, es darum geht es, denn Subversion von Zeichen ist immer
> kontextabhängig.

das ist jetzt aber keine Antwort auf die Bemerkung, weil die habe ich so verstanden, dass es nicht darum gehen kann, die FDÄ dafür zu bashen, weil sie auch dort mitmischen, wo die Bundesregierung ist. Und wenn es stimmt, wie Du schreibst, dass alltäglicher Rassismus nicht im nazi-gewand daherkommt, wo sonst,als dort, sollen sie sich einmischen?

Alles andere in deinem folgenden absatz ist geschenkt. Du wiederholst mein Argument. so weit so richtig. aber mir stellt sich die Frage, ob es tatsächlich immer so ist, wie Du annimmst, was Deine FreundInnen empfunden hätten. Das wäre konkret zu klären. Und wer bemisst das? Und mit welcher Messlatte? Bisher befinden wir uns auf dem niedrigen Niveau der Ideologiekritik und der Vermutungen. Deine Forderung den Kontext zu berücksichtigen haben wir noch nicht eingelöst. Der ist nämlich nicht absolut, sondern verändert sich laufend.

Das was Du im zweiten Absatz über Mut und Respekt verkündest, klingt mir schlichtweg zu sehr nach Mutprobe. Das was Du forderst mag mitunter Sinn machen. Ist aber auch kontextabhängig. Nämlich nur dann, wenn ein Publikum zugegen ist, das das ganze auch tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Dort wo die Faschos eingekesselt marschieren, ist es reine Zeitverschwendung. Wir werden mit solchen Aktionen bei denen keine Wirkungen erzielen. Insofern verspreche ich mir auch nichts davon, dass unter Reichskriegsflaggen Äpfelflaggen wehen. Mitunter könnte es sinnvoller sein, dort mit Äpfeln zugegen zu sein, wo sich der Rassismus nicht so kostümiert gibt und vorgeblich versuchen "Bündnisse" auszuhandeln. so könnte man ja eine argumenation entwickeln die vorgeblich pro residenzpflicht für Flüchtlinge und gegen Schulbesuch der Flüchtlingskinder mit der äpfelargumentation daherkommt. vielleicht gibt es da auch noch passenderes.

Deine meiner Meinung nach richtige Annahme, dass das eigentliche Problem nicht die Kostüm-Faschos sind, finde ich richtig und verkürzt zugleich. In einigen Gegenden sind sie das Problem und dann ist es auch sinnvoll, dasselbe auf unterschiedlichen Wegen zu bekämpfen. Nicht jede/r die/der sich ihnen entgegenstellt, sagt damit zugleich, dass die Mitte der gesellschaft kein Problem darstellt.

Die Frage wäre positiv zu reformulieren. Gehen wir mal davon aus, dass es schwierig ist, den "Kollateralschaden" zu beziffern. Welche Vermutungen haben wir darüber, wann so etwas wie die FdÄ - mit Kostümen - subversiv wirkt? 
 

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