Geert Lovink schreibt in Dark Fiber ("Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung", Bd. 425) über den Symbolwert des Tortenwerfens als Medienereignis:
"Jenseits von Analyse und Bewertung geht es im Taktischen auch um die Rückforderung von Imagination und Fantasie. Die klassischen Rituale des Widerstands erreichen große Teile der Bevölkerung nicht mehr. Das war die Krise der direkten Aktion Anfang der 1990er Jahre, die zum Teil ein Versagen der Imagination darstellte. Die Epidemie der Tortenschlachten war ein Ausweg; die ritualisierte Demütigung der Macht mit einer Torte im Gesicht . Als hochvermittelte Praxis existiert die Torte nicht ohne Bild, sie hat nur als Medienereignis Bedeutung. Wir könnten sie als vorrangige Art des Angriffs auf die Macht betrachten. Die Torte ist der perfekte giftige Gegenentwurf. Das Wissen um die Taktik radikaler Entfremdung besagt, dass, je weiter man sich in vermittelte Räume begibt, man desto eher in die Wirklichkeit 'zurückfällt'. Radikale Forderungen sind nicht standardmäßig ein Zeichen eines dogmatischen Glaubenssystems (es kann natürlich so sein). Gut formuliert sind sie starke Zeichen, die tief in die verwirrte postmodernen Subjektivität eindringen, die so empfänglich ist für einigängige Phrasen, Logos und Marken. Und vor allem: starke Bilder. Die mit Torten beschmierte Führungspersönlichkeit ist eine dieser unwiderstehlichen Foto-Gelegenheiten." (S. 238)
Endlich mal eine brauchbare Analyse über die inhaltlichen Implikationen des Tortenwerfens .... danke Geert.
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"Jenseits von Analyse und Bewertung geht es im Taktischen auch um die Rückforderung von Imagination und Fantasie. Die klassischen Rituale des Widerstands erreichen große Teile der Bevölkerung nicht mehr. Das war die Krise der direkten Aktion Anfang der 1990er Jahre, die zum Teil ein Versagen der Imagination darstellte. Die Epidemie der Tortenschlachten war ein Ausweg; die ritualisierte Demütigung der Macht mit einer Torte im Gesicht . Als hochvermittelte Praxis existiert die Torte nicht ohne Bild, sie hat nur als Medienereignis Bedeutung. Wir könnten sie als vorrangige Art des Angriffs auf die Macht betrachten. Die Torte ist der perfekte giftige Gegenentwurf. Das Wissen um die Taktik radikaler Entfremdung besagt, dass, je weiter man sich in vermittelte Räume begibt, man desto eher in die Wirklichkeit 'zurückfällt'. Radikale Forderungen sind nicht standardmäßig ein Zeichen eines dogmatischen Glaubenssystems (es kann natürlich so sein). Gut formuliert sind sie starke Zeichen, die tief in die verwirrte postmodernen Subjektivität eindringen, die so empfänglich ist für einigängige Phrasen, Logos und Marken. Und vor allem: starke Bilder. Die mit Torten beschmierte Führungspersönlichkeit ist eine dieser unwiderstehlichen Foto-Gelegenheiten." (S. 238)
Endlich mal eine brauchbare Analyse über die inhaltlichen Implikationen des Tortenwerfens .... danke Geert.
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contributor - am Samstag, 22. Juli 2006, 23:42 - Rubrik: Torten - Pies - Tarts