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Die Münchner Polizei dramatisierte anlässlich des Papst-Besuches ein Gedicht von Erich Weinert. Erich Weinert reimte auf die Verhälntnisse in der Weimarer Republik und durchaus in gotteslästerlicher Absicht:

"Es findet keinerlei Zensur mehr statt,
nur wenn der Staat es dringed nötig hat.
und auch die Kunst und Wissenschaft sind frei,
das Nähere regelt die Polizei."


Kunstaktion "Papst trifft Hitler" - als Gefahr für öffentliche Sicherheit vom "Staatsschutz" abgebrochen - StaatsSchutz übt "ein bisschen Polizeistaat".

Drei Tage vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. in Bayern wurde vom Staatsschutz der Ordnungszelle Bayern eine Kunstaktion von Wolfram P. Kastner und Georg Ledig als "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" behindert und nach kurzer Zeit abgebrochen.

Als ein Papst und Hitler wollten wir Orte in München aufsuchen, die mit der Geschichte des Nazi-Staates, der katholischen Kirche und des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 verbunden sind. Dieser Vertrag zwischen Vatikan und Nazi-Staat gilt bis heute und gewährt auf verfassungswidrige Weise der katholischen Kirche Einfluss in vielen gesellschaftlichen Bereichen.

Etwa 20 zivile und uniformierte "Staatsschützer" wollten mit grotesken Begründungen die Kunstaktion verhindern. Das sei eine unangemeldete Versammlung, das Tragen eines weißen Talars sei verboten, das sei eine geschützte Amtskleidung, wir begingen Amtsanmaßung und dergleichen unsinnige und juristisch unhaltbare Behauptungen wurden herbeigezaubert.

Wir wurden daran gehindert, den geplanten Weg zu gehen und stattdessen in das Polizeipräsidium geleitet - unter Vortäuschung einer "gemeinsamen Klärung, welcher Weg begangen werden darf".

Zwei Personen, die Informationsblätter "Weg mit dem Konkordat - Wir fordern die Trennung von Kirche und Staat" verteilen wollten, wurden mit Gewalt daran gehindert. Ein junger Mann wurde mit Handschellen abgeführt.

Im Polizeipräsidium, machte ich den Leiter der Staatsschutzabteilung darauf aufmerksam, dass er die Freiheit der Kunst verfassungswidrig behindere und lieber die Gesellschaft vor wirklichen Gefahren schützen solle. Was hier geschehe wirke wie Polizeistaats und nicht wie Demokratie, die zu schützen ist. Ein Beamter des StaatsSchutzes erklärte uns, "ein bisschen Polizeistaats schadet nichts".

Herr Beyser, der Chef des Staatsschutzes, untersagte uns, die Kunstaktion fortzusetzen und drohte widrigenfalls Gewalt an.

Als ich den weißen Talar bereits ausgezogen hatte und auf dem Weg zum Kostümverleih zur Rückgabe war, kamen uns der oberste Staatsschützer Herr Beisser und drei weitere verbissen dreinblickende Staatsschützer nachgelaufen und beschlagnahmten den weißen Talar, die weiße Schärpe und die weiße Kopfbedeckung.

Der schriftliche angegebene Grund: "Gefahrenabwehr gg. öffentl. Sicherheit u. Ordnung".

Eine Gefahr für Staat und Gesellschaft stellen weder harmlose Kunstaktionen oder weiße Talare dar, sondern "Staatsschützer" wie Herr Beyser, die nicht unterscheiden können zwischen den in der Verfassung verbürgten Freiheiten und wirklichen Gefahren (von Nazis, Antisemiten, gewaltbereiten religiösen Fanatikern, und anderen Verbechern).

Herr Beyser sollte juristischen und politischen Nachhilfeunterricht bekommen und bis auf weiteres seines Amtes enthoben werden. Er ist eine echte Gefahr für eine demokratische Gesellschaft.

Wir werden Strafanzeige erstatten und eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen.
Wir wollen Freiheit der Kunst und keine Übergriffe der Polizei!


W o l f r a m P. K a s t n e r
Institut für Kunst und Forschung
Trivastr. 7, D-80637 München, tel. 089 - 157 32 19


Die Süddeutsche Zeitung (7.9. 2006), die im übrigen derzeit jeden Tag eine Altpapier- bzw. Fischeinwickel-Beilage zum Papstbesuch anbietet, berichtete über die Hintergründe der Aktion und bemüht sich sichtlich den Verlauf der polizeilichen Maßnahmen zu entdramatisieren:

"Die Aktion sollte eigentlich geheim bleiben, doch dann plauderte es am Dienstag versehentlich der Moderator eines Privatradios aus: Der Künstler Wolfram P. Kastner und der Lektor Georg Ledig zögen am nächsten Tag als Papst und Hitler verkleidet durch die Stadt. Spätestens jetzt wusste die Staatsschutzabteilung der Polizei von dem Vorhaben. Und die Beamten vom Kommissariat 142 sind vor allem dafür bekannt, dass sie keinen Spaß verstehen. Wie sich zeigte, trifft dass in Sachen Papst besonders zu.

(...)

Als die Künstler am Mittwochvormittag vorm Alten Rathaus starten wollten, war allerdings längst die Polizei da. Eine Streifenbesatzung beschäftigte sich gerade damit, einen jungen Mann ins Auto zu verfrachten, der versucht hatte, ein von Kastner verfasstes Infoblatt zu verteilen.

Staatsschutzbeamte in Zivil nahmen sich dann Kastner selbst vor. Zwar ist der gegen jedwede Bevormundung resistent, angesichts der bulligen Beamten, die ihn einkreisten, versuchte sich der Künstler lieber aufs Rausreden. Erstens veranstalte er lediglich eine Kunstaktion, zweitens verteile er keine Flugblätter und drittens stelle er gar keinen Papst dar, sondern einen päpstlichen Nuntius. Somit könne er den Papst gar nicht beleidigen, gab der jetzt fast fröhliche Kastner in seinem weißen Kirchenkostüm zu Protokoll.

Kastner
Der verkleidete Hitler sagte gar nichts. Damit hatten die Polizisten nun nicht gerechnet, und auch auf mehrmalige Nachfrage hin verwies Kastner immer wieder auf „den Nuntius“.

Die Polizei musste das Duo erstmal ziehen lassen. Auf dem Weg durch die Dienerstraße verrenkten sich Passanten die Hälse. Helga Buchmann fand den Auftritt zunächst „makaber“, meinte aber dann, „die Verlogenheit der Kirche ist schlimmer“. Andere Fußgänger freuten sich über „die Dreharbeiten für ’nen Film“, und ein älterer Herr neidete dem falschen Kirchenmann den Auftritt gar: „Morgn ziag i mir a a weißes Hemd o“. Zivilbeamte nahmen jede Äußerung auf, um Beweise für ein beleidigendes Verhalten Kastners zusammen zu bekommen.

Der rettende Einfall aus polizeilicher Sicht kam dann Kommissariatsleiter Werner Maier. Am Marienhof leitete er Kastner und Ledig plötzlich in Richtung Polizeipräsidium um. Eine richtige Festnahme traute sich Maier zwar nicht, doch handle es sich hier um eine nicht angemeldete Versammlung. Der Einwand des Duos, man sei doch nur zu zweit, und an einer Versammlung müssten mindestens drei Leute teilnehmen, ließ Maier nicht gelten. Im Präsidium war der Spaß endgültig vorbei: Kastner und Ledig mussten die Kostüme abgeben. „Gefahrenabwehr“, hieß es bei der Polizei."

Vgl. a. hier, auch wenn der Laden dat Janze (Religion) ein bisschen verbissen zitiert. In diesem Sinne .... sei abschließend nochmals Erich Weinert zitiert:

BIST DU NOCH IN DER KIRCHE?
von Erich Weinert

Ich habe einen Indifferenten gefragt:
»Bist du noch in der Kirche?« - Da hat er gesagt,
»Ja, ich bin noch drin.
Aber ich gehe schon seit zehn Jahren nicht mehr hin.
Als aufgeklärter Mensch habe ich mit den Pfaffen
Und dem ganzen Brimborium nichts mehr zu schaffen.« -
»Und warum trittst du nicht aus?«
»Ja, es wurde immer nichts draus!«
»Du zahlst doch auch Kirchensteuer, nicht wahr?«
»Ja, so eine dreißig Mark im Jahr-«
»Eigentlich verdienst du eins hinter die Ohren.
Einmal betrachtest du die Pastoren
Als Diener der finsteren Reaktion,
Und dann ernährst du sie noch mit deinem Lohn!«
»Schon recht! Man entschließt sich bloß immer nicht!« -
»Also morgen gehst du aufs Amtsgericht!«

Ich habe einen Sozialdemokraten gefragt:
»Bist du noch in der Kirche?« - Da hat er gesagt:
»Die Kirche kommt gar nicht in Frage für mich.
Ich bin zwar noch drin, doch nur äußerlich.
Es ist wegen meiner Frau und meinem Sohn.
Der Junge soll in der Schule nicht drunter leiden.
Und meine Frau ist für Taufe und Konfirmation.
Ich möchte eben Differenzen vermeiden!
Trotzdem bin ich Atheist, wie du weißt,
Und kläre die Menschen auf, wo ich kann.«-
»Und zu Hause duldest du den heiligen Geist?
Deine Frau ist doch gar nicht mehr gläubig gesonnen.
Die Aufklärung fängt nämlich zu Hause an!
Die ist sicher bald für den Austritt gewonnen.«


Ich habe einen Kommunisten gefragt:
»Bist du noch in der Kirche?« - Da hat er gesagt:
»Ach, du denkst wohl, ich gehe sonntags beten?«
Da wäre ich ein schöner Kommunist!
Wir sind zwar formell noch nicht ausgetreten,
Was ja schließlich auch überflüssig ist.
Wir hatten keine kirchliche Trauung.
Bei Vaters Begräbnis hat keiner gepredigt.
Der Pastor kennt unsere Weltanschauung.
Für den sind wir schon lange erledigt.
Und Kirchensteuern bezahl ich ja nicht!
Was soll ich da noch auf dem Amtsgericht?«
»Genosse, nun will ich dir mal was flüstern!
Dein Name steht in den Kirchenregistern!
Und nun erzählt dein Pastor seiner Gemeinde.
Bei uns ist sogar noch ein Kommunist,
Ein Mann aus dem Lager der Glaubensfeinde!
Das beweist, liebe Freunde, daß Jesus Christ
Doch stärker als gottlose Lehren ist!«
»Ja, daran hab ich noch gar nicht gedacht!«
»Nun aber schnell einen Strich durch gemacht!«


Allen dreien sag ich noch eins zum Schluß:
Ihr eid euch völlig darüber klar,
Die Kirchenherrschaft ist eine Gefahr,
Die mit allen Mitteln bekämpft werden muß!
Heute verbietet sie uns schon, wie ihr wißt,
Sie als das zu bezeichnen, was sie ist.
Die Geistesfreiheit, die sie irritiert,
Wird mit staatlichem Gummi hinwegradiert.
Doch wenn sie uns auch zum Schweigen zwingen -
Es gibt noch ein Mittel, legal und erlaubt,
Womit man den geistlichen Finsterlingen
Den Boden unter den Füßen raubt:
Wenn die Millionen den Austritt erklären,
Die innerlich nicht mehr zur Kirche gehören,
Das wäre für die Reaktion ein Schlag,
Den kein Gesetz zu verhindern vermag!
Doch die, die sich jetzt nicht endgültig trennen,
Die sollen sich ja nicht mehr Kämpfer nennen!
Und wie tritt man aus der Polizei aus?

Und zu Kastner, der immerhin weiss, wie man die Reaktion herausfordert, siehe auch diese Aktion in Salzburg im Jahr 2001 ...
 

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