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Eine gefälschte Einladung zu einem Champagner-Empfang im Luxuswohnprojekt Choriner Höfe hat eine Welle der Empörung in Prenzlauer Berg ausgelöst: gutgläubige Anwohner/innen sind über die sozialdarwinistischen Inhalte des Textes schockiert, und die Immobilienfirma distanziert sich scharf von der Fälschung und überlegt rechtliche Schritte einzuleiten.

In Tageszeitungen (Tagesspiegel: „Scherzmittel„) und auf Webseiten (Prenzlauer Berg Nachrichten: „Gefälschte Flyer machen Stimmung gegen die Choriner Höfe„) wird die Aktion erstaunlich gelassen aufgegriffen. Von der Form der Kommunikations-Guerilla wird sich nicht wirklich distanziert, statt dessen zitieren beide Artikel genüsslich aus dem gefälschten Schreiben und bestätigen den Fälschern:

Logo und Tonfall sind gut getroffen.

Das stimmt. Bedeutsamer scheint mir jedoch, dass auch die Inhalte des Schreibens eine Glaubwürdigkeit auf den ersten Blick ausstrahlen. Die Prenzlauer Berg Nachrichten zitieren einen Anwohner:

„Der Flyer ist ziemlich gut gemacht, und auch die übliche PR-Sprache sehr gut getroffen“, meint er. „Das klang plausibel.“ Andere Anwohner, mit denen er gesprochen habe, hätten das ähnlich gesehen. „Irgendwann rief dann aber die Agentur der Investoren bei mir an und klärte mich über die Fälschung auf – im Nachhinein frage ich mich natürlich, warum ich das nicht gleich bemerkt habe.“

Eine Fälschung ist eben nur so gut, wie es ihr gelingt die Vorstellungen und Erwartungen der Adressaten zu bedienen. Das dies im vorliegenden Fall mit einer überzogenen Form der sozialen Arroganz gelungen ist, zeigt wohin die Reise in Prenzlauer Berg geht.



Ein Psychogramm der Verdrängungsangst

Gentrificationkritische Kommunikation-Guerilla als Thema der hyperlokalen Berichterstattung

Im Tagesspiegel ist in Reaktion auf das Schreiben von über 100 Anrufen bei der Immobilienfirma die Rede. Auch ich habe mittlerweile etwa zwanzig Mails von Anwohner/innen aus der Gegend rund um den Teutoburger Platz erhalten, die mich auf eine in ihren Häusern verteilte Einladung zu einem „Frühjahrsempfang mit Champagner und kleinen Überraschungen“ von der Immobilienfirma Diamona & Harnisch aufmerksam machten.

Die in den Mails hervorgehobenen Passagen des Schreibens lassen sich als Psychogramm der vorhandenen Ängste interpretieren.

1. Befürchtung vor Aufwertungseffekten in der Nachbarschaft:

Diamona & Harnisch und die Eigentümerversammlung/Choriner Höfe möchten daran gerne mit Ihnen zusammen aktiv arbeiten und dasAnsehen des Quartiers weiter verbessern. Einige nicht sanierte Häuser in unserer gemeinsamen Nachbarschaft, passen jetzt nicht mehr in das neue, gehobene Erscheinungsbild unserer Straße. Deshalb habenwir uns im Sinne der guten Nachbarschaft bereit erklärt, die unansehnlichen Gebäude zu erwerben undstilgerecht zu sanieren.

2. Befürchtung vor Verdrängung

Diamona & Harnisch sorgen auch für die Menschen aus der Nachbarschaft, die den durch die Aufwertung des Quartiers zwangsläufig entstehenden höheren Mietzins nicht mehr tragen können. Durch die langjährigenInvestitionen von Diamona & Harnisch in Nachbarbezirken wie Lichtenberg und Hohenschönhausen können wir adäquate Wohnalternativen anbieten.

3. Befürchtung vor der Privatisierung öffentlicher Räume

DieFamilien der Käufer haben zum 01. Feb 2011 eine Kinderspielplatz-Initiative gegründet und freuen sich über eine rege Teilnahme aus der neuen Nachbarschaft. Die Zukunftsvision ist ein sicherer und abgeschirmter Spielplatz auf dem Areal des Teutoburger Platzes, exklusiv für die Mitglieder der Initiative. Ziel ist es, die Kontakte unserer Kleinsten untereinander zu stärken und Sicherheit vor unkontrollierten Einflüssen zugewährleisten.

4. Befürchtung von sozialer Spaltung

Wir stehen zu unserer sozialen Verantwortung. Uns ist es wichtig, dass auch weiterhin sozial schwächer gestellte Menschen, in unserer Nachbarschaft leben können. Daher investieren Ihre neuen Nachbarn in den Choriner Höfen nicht nur in Berlin, sondern auch in Ihr direktes Wohnumfeld. In naher Zukunft entstehen neue qualifizierte Arbeitsplätze für Servicekräfte in den Bereichen Securitiy, Facility Management,Gastronomie, Grünanlagenpflege und Housekeeping.



Woher kommt die Angst vor den Luxuswohnungen?
Proteste gegen Luxuswohnprojekte in Prenzlauer Berg (via leute-am-teute.de)

Proteste gegen Luxuswohnprojekte in Prenzlauer Berg (Bild: www.leute-am-teute.de)

Hochpreisige und exklusive Eigentumswohnungsanlagen wie der Marthashof, die Prenzlauer Gärten oder auch die Choriner Höfe stehen beispielhaft für die aktuelle Stufe der Aufwertung in den sanierten Altbauvierteln von Prenzlauer Berg und Mitte. In internationalen Studien werden Situationen einer Aufwertung bereits gentrifizierter Viertel als Super-Gentrification bezeichnet. In vielen Quartieren von Prenzlauer Berg und Mitte übersteigen die Zahlen der neugebauten Wohnungen inzwischen die Zahl der Modernisierungsarbeiten. Das Modernisierungspotential ist weitgehend ausgeschöpft und immobilienwirtschaftliche Investitionen richteten sich in den vergangenen Jahren zunehmend auf das Neubausegment. Fast alle neue entstehenden Wohnungen sind Eigentumswohnungen – vielen im Luxuswohnbereich.

Wie andere Phasen der Gentrification auch, lösen solche Neubaumaßnahmen Verunsicherung unter den Bestandsbewohner/innen aus, die einerseits steigende Kosten durch die erweiterte Aufwertung ihrer Quartiere befürchten und andererseits um die nachbarschaftliche Balance ihrer Lebensstile bangen.

Eben diese Ängste werden in den unter falscher Flagge verteilten Einladungen angesprochen – das Problem ist dabei weniger der Akt der Fälschung als vielmehr seine offensichtliche Realitätsnähe.
http://networkedblogs.com/gzNRE
 

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