Auf der Mailingliste "Rohrpost" (und nun auch in diesem Blog) gärt es. Der Grund ist der Katalog der Ausstellung "Just do it!" aus dem Linzer Lentos-Museum. Der Katalog wurde bereits Ende Februar veröffentlicht und ist nun wohl auch in Berlin, dem scheinbaren Nabel allen subversiven Kunstschaffens, angekommen. Während die Ausstellung im Linzer Lentos Museum eher demonstrierte, wie fad es sein kann, wenn Subversives im Museum präsentiert wird, fängt der Katalog an Spaß zu machen.
Der Katalog hat insofern ein ungewöhnliches Aussehen, als das Buch in Form eines Totenkopfes, also dem Markenzeichen der Piraten, zugeschnitten ist.
Schon allein das hätte unsere Kunst- und ZeichendeutungsspezialistInnen misstrauisch werden lassen müssen. Um es vorwegzunehmen. Der gesamte Text des Katalogs ist "geklaut" und ein Zusammenschnitt diverser einschlägiger Texte (u.a. auch von der autonomen a.f.r.i.k.a. gruppe).
Der nun einsetzende Debatte um den Katalog ist ein Beispiel dafür was passiert, wenn Culture Jamming auf die Produkte und Marken der Szene angewendet wird. Während das Adbustern im Museum nichts oder nur wenig in Bewegung setzt, lässt sich der Kunstbetrieb damit offenbar prima aufmischen.
1. Angefangen hat alles mit einer Bemerkung von Andreas Broeckmann und der Frage nach der Herkunft der Katalogtexte:
dann sollte man die herren kuratoren unbedingt mal fragen, wo die texte im reader genau herkommen, bzw. wer sie geschrieben hat. und wer sie sich im sinne eines 'just do it!' angeeignet hat.
2. Ein Markenzeichen namens Florian Cramer" recherchiert:
"Genauer gesagt, handelt es sich um Texte von Inke Arns, die ohne Autorinnen- und Quellenangabe und gleich kapitelweise - über mehr als zwanzig Seiten am Stück - in den (kommerziell vertriebenen) Katalog "appropriiert" wurden.
und er riecht, dass dies irgendwie mit "Culture Jamming" zusammenhängt:
Die Kuratoren zeigen auf diese Weise höchst raffiniert die dialektische Kehrseite des "culture jamming" auf: Ausbeutung fremder Arbeit zur Beförderung der eigenen Karriere. "Just Do It" ist wirklich ein schöner Titel für ihr Projekt.
3. Jetzt wird erstmal gesucht und gelesen. Und dann geht es zur Sache: Kuratoren gegen Kuratoren. Inke Arns schreibt einen Offenen Brief (der in diesem Blog in voller Länge hineingestellt wurde). Darin heisst es u.a.
"Anlaesslich der Ausstellung "Just do it - Die Subversion der Zeichen von Marcel Duchamp bis Prada Meinhof" im Lentos Museum in Linz, Oesterreich, haben die drei Kuratoren Thomas Edlinger, Florian Waldvogel und Raimar Stange einen Katalog produziert, der aus - teils sehr langen - Passagen von Texten verschiedener AutorInnen besteht. Die Urheber wurden weder um Erlaubnis zum (Wieder-)Abdruck gefragt, noch sind die Texte namentlich gekennzeichnet, d.h. einzelnen AutorInnen zuzuordnen. Der Katalog scheint so aus einem einzigen zusammenhaengenden Text zu bestehen, der keine Textgrenzen mehr erkennen laesst.
Generell handelt es sich hierbei um ein Missverständnis und Missbrauch der Konzepte des "Culture Jamming", "Appropriation" und "Subversion von Zeichen". Bei diesen Praktiken geht es nicht um einen Freibrief zur kostenlosen Selbstbedienung bei KollegInnen, sondern - v.a. im netzaktivistischen Bereich - um eine Strategie
der Entwendung von Zeichen (z.B. Markennamen, CIs, Logos) zwecks Unterwanderung der Autoritaet grosser Korporationen. Es geht um die kritische, künstlerische Verfremdung und Wiederaneignung herrschender Codes, nicht um unkritisches
postmodernes Recycling und auch nicht um Arbeitseinsparungen für Kuratoren und Kritiker, die sich sowenig Mühe wie möglich machen wollen."
Nun bedient sich ein mehr oder weniger etabliertes Museum dieser Techniken und mischt diejenigen auf, die mittels entsprechenden Themen noch gerne in diese Institutionen hinein wollen. Der Tenor der Diskussion jedenfalls geht in die Richtung, die einen sind böse, weil das Buch kommerziell vertrieben wird (ja wir wissen alle, mit solchen büchern verdienen wir Millionen ... und edition selene erst, auch böse). Da haben wir ihn wieder: diesen deutschen Affekt, das Böse ist immer und überall: komerziell.
Und dann ist da noch die Konkurrenz und die Behauptung, dass die Herausgeber und Kuratoren mit den geklauten Texten Karriere machen wollen. Immer noch Arns....
"Bei Just do it scheint es sich jedoch nicht um ein Missverstaendnis aus Unwissenheit zu handeln, sondern um eine bewusste karrieristische Verschleierungsstrategie."
Tja, wieder nicht zitiert worden. Wieder ein Baustein weniger in der eigenen Kuratoren- und Künstlerbiographie (Wie heißt es doch so schön oder ähnlich: "Ich möchte Teil einer Widerstandsbewegung sein ...").
4. Das Markenzeichen Florian Cramer, dem ebenfalls übel mitgespielt wurde, tritt darauf hin auf den Plan und es outet sich Florian Cramer in einer weiteren Stellungnahme ebenfalls als "Kurator" ("Die kuratorische Rhetorik vom Widerstand") mit einer verzweifelten Satire. Er hat bemerkt, dass es uncool ist, was er da schreibt und bejammert. Aber er weiss ja zu bluffen und weiss auch welche Autoren er heranziehen muss, um auf der Seite der Guten zu bleiben:
"Die Situationisten entwickelten eine Methode der permanenten Entfremdung von gesellschaftlichen Konventionen. Was ich, wie man sieht, noch viel besser kann. Die Situationisten suchten nach Rissen innerhalb der Gesellschaft, die sie mit Satire, Bluffs, Provokationen und Gewalt vergrößern wollten. Satire und Provokationen sind zwar nicht so mein Ding, bluffen kann ich aber ganz gut und Gewalt übe ich lieber diskursiv aus. Manchmal packt mich der Kasernenhofton, und ich schwadroniere vom situationistischen "Vollstreckungsbefehl an die Wirklichkeit". Doch was ich eigentlich sagen will, ist: Stangen aller Edlinger, waldvögelt Euch ins Knie!"
Wir haben gelernt, dass Culture Jamming gegen Big Business im Museum für den Oarsch ist. Doch mit diesem Museumskatalog wird der Kunstbetrieb auf seinem eigenen Feld und mit den ihm adäquaten Mitteln angegriffen. Vorführen tut sich der Laden nun selbst (Man muss nur die absurden rechtlichen Tips und Ratschläge auf der Mailingliste anschauen, da schlägt das Herz eines jeden Kommunikationsguerilleros - bessere Vorlagen aus der deutschen Buchhalterseele kann doch niemand liefern - und das zeigt welch verheerende Auswirkungen die flächendeckende Einrichtung von Kulturmanagementstudiengängen nach sich zieht). Der Lentos-Katalog führt auf eindrückliche Weise vor, dass es dem Künstler-Culture-Jamming nicht um Widerstand gegen was auch immer geht, sondern um das je eigene Markenzeichen, das ist auch weder wirklich verwerflich oder auch moralisch schlecht. Nur hören würden wir es ab und zu ganz gerne, damit es weniger oft vorkommt, dass wir uns dabei ertappen, wenn wir Kunst mit Widerstand verwechseln, anstatt künstlerische Mittel zum Widerstand einzusetzen..
Glückwunsch Edlinger, Waldvogel und Stange - Wir sind ein bisserl neidisch ....
PS. Zur Ehrenrettung der Rohrpost-Liste müssen wir dann doch noch den Johannes-Auer-Vorschlag nachreichen:
"koennte es nicht vielleicht sein, dass ihr mit eurer reaktion genau in die strategie der initiatoren spielt (sozusagen "arns" und "cramer" als marke verstanden mit den theoretischen texten als markenzeichen. protest erwuenscht und kalkuliert...)
anderer vorschlag: bezeichnet euch in euren cv's ab sofort als die kuratoren dieser ausstellung, schickt ein paar gepflegte kuratorische statements durch die listen, plagiiert die museums-/verlags-seite, natuerlich mit euch als kuratoren, gebt am besten den katalog noch einmal unter eurem namen heraus (ist machbar...)...
und irgendwann spaeter kann man vielleicht mal ueber "just do it" zu seinen bedigungen diskutieren (da gibt es ein, zwei aspekte, die ich nicht uninteressant finde...)"
Aber danach geht's grad so weiter - ....
Der Katalog hat insofern ein ungewöhnliches Aussehen, als das Buch in Form eines Totenkopfes, also dem Markenzeichen der Piraten, zugeschnitten ist.
Schon allein das hätte unsere Kunst- und ZeichendeutungsspezialistInnen misstrauisch werden lassen müssen. Um es vorwegzunehmen. Der gesamte Text des Katalogs ist "geklaut" und ein Zusammenschnitt diverser einschlägiger Texte (u.a. auch von der autonomen a.f.r.i.k.a. gruppe).
Der nun einsetzende Debatte um den Katalog ist ein Beispiel dafür was passiert, wenn Culture Jamming auf die Produkte und Marken der Szene angewendet wird. Während das Adbustern im Museum nichts oder nur wenig in Bewegung setzt, lässt sich der Kunstbetrieb damit offenbar prima aufmischen.
1. Angefangen hat alles mit einer Bemerkung von Andreas Broeckmann und der Frage nach der Herkunft der Katalogtexte:
dann sollte man die herren kuratoren unbedingt mal fragen, wo die texte im reader genau herkommen, bzw. wer sie geschrieben hat. und wer sie sich im sinne eines 'just do it!' angeeignet hat.
2. Ein Markenzeichen namens Florian Cramer" recherchiert:
"Genauer gesagt, handelt es sich um Texte von Inke Arns, die ohne Autorinnen- und Quellenangabe und gleich kapitelweise - über mehr als zwanzig Seiten am Stück - in den (kommerziell vertriebenen) Katalog "appropriiert" wurden.
und er riecht, dass dies irgendwie mit "Culture Jamming" zusammenhängt:
Die Kuratoren zeigen auf diese Weise höchst raffiniert die dialektische Kehrseite des "culture jamming" auf: Ausbeutung fremder Arbeit zur Beförderung der eigenen Karriere. "Just Do It" ist wirklich ein schöner Titel für ihr Projekt.
3. Jetzt wird erstmal gesucht und gelesen. Und dann geht es zur Sache: Kuratoren gegen Kuratoren. Inke Arns schreibt einen Offenen Brief (der in diesem Blog in voller Länge hineingestellt wurde). Darin heisst es u.a.
"Anlaesslich der Ausstellung "Just do it - Die Subversion der Zeichen von Marcel Duchamp bis Prada Meinhof" im Lentos Museum in Linz, Oesterreich, haben die drei Kuratoren Thomas Edlinger, Florian Waldvogel und Raimar Stange einen Katalog produziert, der aus - teils sehr langen - Passagen von Texten verschiedener AutorInnen besteht. Die Urheber wurden weder um Erlaubnis zum (Wieder-)Abdruck gefragt, noch sind die Texte namentlich gekennzeichnet, d.h. einzelnen AutorInnen zuzuordnen. Der Katalog scheint so aus einem einzigen zusammenhaengenden Text zu bestehen, der keine Textgrenzen mehr erkennen laesst.
Generell handelt es sich hierbei um ein Missverständnis und Missbrauch der Konzepte des "Culture Jamming", "Appropriation" und "Subversion von Zeichen". Bei diesen Praktiken geht es nicht um einen Freibrief zur kostenlosen Selbstbedienung bei KollegInnen, sondern - v.a. im netzaktivistischen Bereich - um eine Strategie
der Entwendung von Zeichen (z.B. Markennamen, CIs, Logos) zwecks Unterwanderung der Autoritaet grosser Korporationen. Es geht um die kritische, künstlerische Verfremdung und Wiederaneignung herrschender Codes, nicht um unkritisches
postmodernes Recycling und auch nicht um Arbeitseinsparungen für Kuratoren und Kritiker, die sich sowenig Mühe wie möglich machen wollen."
Nun bedient sich ein mehr oder weniger etabliertes Museum dieser Techniken und mischt diejenigen auf, die mittels entsprechenden Themen noch gerne in diese Institutionen hinein wollen. Der Tenor der Diskussion jedenfalls geht in die Richtung, die einen sind böse, weil das Buch kommerziell vertrieben wird (ja wir wissen alle, mit solchen büchern verdienen wir Millionen ... und edition selene erst, auch böse). Da haben wir ihn wieder: diesen deutschen Affekt, das Böse ist immer und überall: komerziell.
Und dann ist da noch die Konkurrenz und die Behauptung, dass die Herausgeber und Kuratoren mit den geklauten Texten Karriere machen wollen. Immer noch Arns....
"Bei Just do it scheint es sich jedoch nicht um ein Missverstaendnis aus Unwissenheit zu handeln, sondern um eine bewusste karrieristische Verschleierungsstrategie."
Tja, wieder nicht zitiert worden. Wieder ein Baustein weniger in der eigenen Kuratoren- und Künstlerbiographie (Wie heißt es doch so schön oder ähnlich: "Ich möchte Teil einer Widerstandsbewegung sein ...").
4. Das Markenzeichen Florian Cramer, dem ebenfalls übel mitgespielt wurde, tritt darauf hin auf den Plan und es outet sich Florian Cramer in einer weiteren Stellungnahme ebenfalls als "Kurator" ("Die kuratorische Rhetorik vom Widerstand") mit einer verzweifelten Satire. Er hat bemerkt, dass es uncool ist, was er da schreibt und bejammert. Aber er weiss ja zu bluffen und weiss auch welche Autoren er heranziehen muss, um auf der Seite der Guten zu bleiben:
"Die Situationisten entwickelten eine Methode der permanenten Entfremdung von gesellschaftlichen Konventionen. Was ich, wie man sieht, noch viel besser kann. Die Situationisten suchten nach Rissen innerhalb der Gesellschaft, die sie mit Satire, Bluffs, Provokationen und Gewalt vergrößern wollten. Satire und Provokationen sind zwar nicht so mein Ding, bluffen kann ich aber ganz gut und Gewalt übe ich lieber diskursiv aus. Manchmal packt mich der Kasernenhofton, und ich schwadroniere vom situationistischen "Vollstreckungsbefehl an die Wirklichkeit". Doch was ich eigentlich sagen will, ist: Stangen aller Edlinger, waldvögelt Euch ins Knie!"
Wir haben gelernt, dass Culture Jamming gegen Big Business im Museum für den Oarsch ist. Doch mit diesem Museumskatalog wird der Kunstbetrieb auf seinem eigenen Feld und mit den ihm adäquaten Mitteln angegriffen. Vorführen tut sich der Laden nun selbst (Man muss nur die absurden rechtlichen Tips und Ratschläge auf der Mailingliste anschauen, da schlägt das Herz eines jeden Kommunikationsguerilleros - bessere Vorlagen aus der deutschen Buchhalterseele kann doch niemand liefern - und das zeigt welch verheerende Auswirkungen die flächendeckende Einrichtung von Kulturmanagementstudiengängen nach sich zieht). Der Lentos-Katalog führt auf eindrückliche Weise vor, dass es dem Künstler-Culture-Jamming nicht um Widerstand gegen was auch immer geht, sondern um das je eigene Markenzeichen, das ist auch weder wirklich verwerflich oder auch moralisch schlecht. Nur hören würden wir es ab und zu ganz gerne, damit es weniger oft vorkommt, dass wir uns dabei ertappen, wenn wir Kunst mit Widerstand verwechseln, anstatt künstlerische Mittel zum Widerstand einzusetzen..
Glückwunsch Edlinger, Waldvogel und Stange - Wir sind ein bisserl neidisch ....
PS. Zur Ehrenrettung der Rohrpost-Liste müssen wir dann doch noch den Johannes-Auer-Vorschlag nachreichen:
"koennte es nicht vielleicht sein, dass ihr mit eurer reaktion genau in die strategie der initiatoren spielt (sozusagen "arns" und "cramer" als marke verstanden mit den theoretischen texten als markenzeichen. protest erwuenscht und kalkuliert...)
anderer vorschlag: bezeichnet euch in euren cv's ab sofort als die kuratoren dieser ausstellung, schickt ein paar gepflegte kuratorische statements durch die listen, plagiiert die museums-/verlags-seite, natuerlich mit euch als kuratoren, gebt am besten den katalog noch einmal unter eurem namen heraus (ist machbar...)...
und irgendwann spaeter kann man vielleicht mal ueber "just do it" zu seinen bedigungen diskutieren (da gibt es ein, zwei aspekte, die ich nicht uninteressant finde...)"
Aber danach geht's grad so weiter - ....
kg2u - am Donnerstag, 7. Juli 2005, 12:00 - Rubrik: Culture Jamming