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In Italien wird Zechprellerei populär
Nach Protestaktionen mit Plünderungen folgt nun die Flucht nach dem Galadiner

ROM, 10. Dezember. Die italienischen Globalisierungsgegner schlagen neuerdings auf ganz ungewohnte Weise zu: Statt vermummt zu demonstrieren, erschienen sie nunmehr elegant gekleidet zu einem Festessen für 44 Personen in einem der teuersten Restaurants in Treviso, dem Herzstück des wachstumsstarken Veneto. Der Anlaß sollte angeblich eine Taufe sein, und deshalb wurden auch gleich zehn Gänge und fünf Flaschen Champagner für die Festgesellschaft aufgetragen.
Doch die Taufe war von einer besonderen Art: Bevor es ans Bezahlen ging, verschwanden die Gäste. Sie hinterließen etwas Trinkgeld für die Bedienung und eine Puppe, die sie "San Precario" nannten, den
Schutzheiligen für die "Precari", die Besitzer ungeregelter und
ungeschützter Jobs. Auf einem Zettel hieß es: "Die Rechnung bezahlt der Präsident der Region Veneto oder die Nato". Für diese hatte das
Restaurant "Da Celeste" ein Galaessen ausgerichtet.
(...)
Bisher haben sich Italiens Politiker aber nicht getraut, gegen die
regelmäßig stattfindenden Aktionen mit der Härte der Polizei vorzugehen, weil der von den Globalisierungsgegnern benutzte Vorwand die angeblich unaufhaltsam wachsende wirtschaftliche Not vieler Italiener ist. Denn in Italien ist nicht der seit einiger Zeit in Deutschland angeblich gepflegte Geiz Mode geworden - dieser würde doch empfindlich die "bella figura" stören -, sondern vielmehr
die Klage darüber, daß man nicht ausreichend bezahlt werde. Italiens Gewerkschafter und Oppositionsparteien haben den öffentlichen Sprachgebrauch bereichert mit der schon zum Slogan gereiften Frage: "Reicht das Geld bis zum Ende des Monats?" Nun heißt es überall: "Es reicht nicht bis zum Ende des Monats." Und die gleichen Globalisierungsgegner, die noch vor drei Jahren als Anführer in den Straßenschlachten am Rande des G-8-Treffens in Genua auftraten, fühlen sich nun am Monatsende legitimiert für ihre drastischen Protestaktionen wie im Restaurant.

Begonnen haben diese Aktionen zunächst unter dem Schlagwort
"proletarischer Einkauf". Die Protestierenden stürmten nach einer
Demonstration gegen die Regierung von Ministerpräsident Silvio
Berlusconi einen römischen Supermarkt und einen Buchladen, füllten
Produkte aller Art in die Einkaufswagen und forderten dann vom
Geschäftsführer einen Nachlaß von 50 Prozent. Als ein solcher nicht
gewährt wurde, bezahlte man eben gar nicht. Dabei gingen aber nicht etwa nur Nahrungsmittel und Güter des persönlichen Grundbedarfs mit, die den Proletariern am Monatsende tatsächlich gefehlt haben könnten, sondern auch Videorekorder und CDs.

Die rechtsgerichteten Exponenten der Regierung von Silvio Berlusconi haben diese Aktionen als "unrechtmäßige Plünderungen" gebrandmarkt. Zum Teil fanden sie aber unter den Augen der Polizei statt. Und der christdemokratische und vorsichtige Innenminister Giuseppe Pisanu hat bisher nur angekündigt, daß man "beim nächsten Mal" hart durchgreifen werde. (...)"


Oh Heiliger Prekarius, bewahre uns vor diesen immer hinter dem Blatt sitzenden "klugen Köpfen", die an unserem Glauben an Dich und an unserer Zuversicht schnöden Verrat üben und Unglauben verbreiten ....

aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.12.2004, Nr. 290 / Seite 11
 

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