kanak attak präsentiert die Plakataktion gegen die Ausbürgerungen und Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft, die in Kooperation mit dem ZDF erfolgreich in mehreren Städten gestartet ist.
Mit dem Zweiten sieht man besser!
Ahmet B. versteht die Welt nicht mehr. Vor einigen Tagen ist er mit seiner in der Türkei geheirateten Frau bei der deutschen Botschaft in Ankara gewesen, um für sie ein Einreisevisum für Deutschland zu beantragen. Als er die Heiratsurkunde, weitere Unterlagen und seinen deutschen Pass vorlegt, wird der Botschaftsmitarbeiter plötzlich stutzig. Seinen schönen roten EU-Pass hat Herr B. nicht wiederbekommen, aber dafür eine Bescheinigung, dass er nicht mehr im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit ist. Nun fragt er sich verzweifelt und empört zugleich, wie es denn sein kann, dass er, der in Berlin geboren und aufgewachsen ist und sich als 19-Jähriger gerade in einer Ausbildung zum Bankkaufmann beendet, kein Deutscher mehr ist.
So beschreibt das Bundesinnenministerium die Geschichte einer Ausbürgerung. Natürlich verliert Ahmet B. seine "schöne Staatsangehörigkeit" gleich da, wo er ab nun laut BRD-Gesetzgebung wieder hingehört - in die Nicht-EU. Ein Novum in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Eine in Vergessenheit geratene staatliche Maßnahme der Entrechtung. Der historische Kontext mag ein anderer sein, der Fokus liegt diesmal in der Prekarisierung von Menschen mit migrantischen Hintergrund.
(...)
Stand-by-Deutsche: Staatsbürgerrechte auf Abruf und ohne Gewähr Das Ergebnis dieses Ringens um politische Rechte und mononationaler Zugehörigkeit ist eine neue Art von Staatsbürgertum: Wir begrüßen die »Stand-By Deutschen«! Ihnen wird die deutsche Staatsbürgerschaft gewährt, jedoch nur unter Auflagen. So wächst beispielsweise eine Generation von stand-by-deutschen Kindern heran, welche sich bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres entscheiden müssen, ob sie ihr Aufenthaltserlebnis in Almanya als Deutsche oder als "Ausländer" fortführen und gestalten wollen. Gleichzeitig müssen alle neuen Ex-Deutschen, neben der Beantragung einer Niederlassungserlaubnis und der Arbeitsgenehmigung, in ihrem Antrag auf Staatsbürgerschaft erneut beweisen, wie ernst sie es meinen: Sprachnachweis, Integrationspunkte, der ganze Schmu von vorn. Es gibt im neuen Zuwanderungsbegrenzungsgesetz die Gnade der erleichterten Wiedererlangung von Aufenthaltstiteln für ausgebürgerte Ex-Deutsche, jedoch ist die Erleichterung prekär. Nun kann noch einmal geprüft werden: Haben Sie seit 2000 schon mal »Hass gepredigt«? »Terror unterstützt«? In irgendeiner unbequemen Weise eine politische oder kriminelle Karriere eingeschlagen? Sozialhilfe empfangen? Hartz IV genossen? Doch auch die übrigen müssen sich wieder in die Unannehmlichkeiten und Schikanen des Ausländerrechts begeben. Aufgezwungene Sprachkurse mit Sanktionszwang, Sozialhilfekürzung bis Aufenthaltsannullierung. Damit werden unsere Brüder und Schwestern, amcalarimiz ve teyzelerimiz gezwungen hunderte von Stunden Deutsch und Integration nachzuweisen - in einem Land in dem sie bereits seit über 50 Jahren leben und arbeiten. Das Staatsangehörigkeitsgesetz und das neue Zuwanderungsbegrenzungs-Gesetz berücksichtigen keine von den versprochenen Verbesserungen und der längst überfälligen rechtlichen Anerkennung Almanyas als Einwanderungsland. Sie stellen einen Remix des alten Ausländergesetzes dar und sind mitnichten ein »historischer Einschnitt«, wie die BefürworterInnen behaupten. Es ist die neue Festschreibung des alten, des schlechten Zustands. Gleichzeitig wird die Forderung nach Integration in die deutsche Gesellschaft immer lauter, härter und unnachgiebiger. Integration bedeutet vor allem Entkollektivierung von Rechten: Hierarchisierung, Assimilationszwang, Domestizierung und soziale Unterordnung der MigrantInnen. Sie war immer schon eine Reaktion auf ... und eine Drohung gegen Kämpfe der MigrantInnen um mehr Rechte. Politische und soziale Rechte werden nicht etwa selbstverständlich gewährt, sondern zu Privilegien stilisiert. Nur diejenigen, die unbeirrt und konsequent im Sinne der Maßgaben durch den Parcours der Integration hindurch gehen, sollen die Güte der deutschen Gesellschaft erfahren dürfen. Die Bestrebungen der MigrantInnen sich zu integrieren, können deshalb nur als Sisyphos-Tätigkeit bezeichnet werden. Ein never ending Loop des »Und ewig grüsst das Murmeltier« - Aber das ist nicht unser Song und nicht unser Film!
(...)
Einbürgerung - automatisch und nur auf dem Silbertablett!
No Integration - Kampf um kollektive Rechte anstatt Privilegien!
kanak attak | 2005
Der ausführliche Text
Mit dem Zweiten sieht man besser!
Ahmet B. versteht die Welt nicht mehr. Vor einigen Tagen ist er mit seiner in der Türkei geheirateten Frau bei der deutschen Botschaft in Ankara gewesen, um für sie ein Einreisevisum für Deutschland zu beantragen. Als er die Heiratsurkunde, weitere Unterlagen und seinen deutschen Pass vorlegt, wird der Botschaftsmitarbeiter plötzlich stutzig. Seinen schönen roten EU-Pass hat Herr B. nicht wiederbekommen, aber dafür eine Bescheinigung, dass er nicht mehr im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit ist. Nun fragt er sich verzweifelt und empört zugleich, wie es denn sein kann, dass er, der in Berlin geboren und aufgewachsen ist und sich als 19-Jähriger gerade in einer Ausbildung zum Bankkaufmann beendet, kein Deutscher mehr ist.
So beschreibt das Bundesinnenministerium die Geschichte einer Ausbürgerung. Natürlich verliert Ahmet B. seine "schöne Staatsangehörigkeit" gleich da, wo er ab nun laut BRD-Gesetzgebung wieder hingehört - in die Nicht-EU. Ein Novum in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Eine in Vergessenheit geratene staatliche Maßnahme der Entrechtung. Der historische Kontext mag ein anderer sein, der Fokus liegt diesmal in der Prekarisierung von Menschen mit migrantischen Hintergrund.
(...)
Stand-by-Deutsche: Staatsbürgerrechte auf Abruf und ohne Gewähr Das Ergebnis dieses Ringens um politische Rechte und mononationaler Zugehörigkeit ist eine neue Art von Staatsbürgertum: Wir begrüßen die »Stand-By Deutschen«! Ihnen wird die deutsche Staatsbürgerschaft gewährt, jedoch nur unter Auflagen. So wächst beispielsweise eine Generation von stand-by-deutschen Kindern heran, welche sich bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres entscheiden müssen, ob sie ihr Aufenthaltserlebnis in Almanya als Deutsche oder als "Ausländer" fortführen und gestalten wollen. Gleichzeitig müssen alle neuen Ex-Deutschen, neben der Beantragung einer Niederlassungserlaubnis und der Arbeitsgenehmigung, in ihrem Antrag auf Staatsbürgerschaft erneut beweisen, wie ernst sie es meinen: Sprachnachweis, Integrationspunkte, der ganze Schmu von vorn. Es gibt im neuen Zuwanderungsbegrenzungsgesetz die Gnade der erleichterten Wiedererlangung von Aufenthaltstiteln für ausgebürgerte Ex-Deutsche, jedoch ist die Erleichterung prekär. Nun kann noch einmal geprüft werden: Haben Sie seit 2000 schon mal »Hass gepredigt«? »Terror unterstützt«? In irgendeiner unbequemen Weise eine politische oder kriminelle Karriere eingeschlagen? Sozialhilfe empfangen? Hartz IV genossen? Doch auch die übrigen müssen sich wieder in die Unannehmlichkeiten und Schikanen des Ausländerrechts begeben. Aufgezwungene Sprachkurse mit Sanktionszwang, Sozialhilfekürzung bis Aufenthaltsannullierung. Damit werden unsere Brüder und Schwestern, amcalarimiz ve teyzelerimiz gezwungen hunderte von Stunden Deutsch und Integration nachzuweisen - in einem Land in dem sie bereits seit über 50 Jahren leben und arbeiten. Das Staatsangehörigkeitsgesetz und das neue Zuwanderungsbegrenzungs-Gesetz berücksichtigen keine von den versprochenen Verbesserungen und der längst überfälligen rechtlichen Anerkennung Almanyas als Einwanderungsland. Sie stellen einen Remix des alten Ausländergesetzes dar und sind mitnichten ein »historischer Einschnitt«, wie die BefürworterInnen behaupten. Es ist die neue Festschreibung des alten, des schlechten Zustands. Gleichzeitig wird die Forderung nach Integration in die deutsche Gesellschaft immer lauter, härter und unnachgiebiger. Integration bedeutet vor allem Entkollektivierung von Rechten: Hierarchisierung, Assimilationszwang, Domestizierung und soziale Unterordnung der MigrantInnen. Sie war immer schon eine Reaktion auf ... und eine Drohung gegen Kämpfe der MigrantInnen um mehr Rechte. Politische und soziale Rechte werden nicht etwa selbstverständlich gewährt, sondern zu Privilegien stilisiert. Nur diejenigen, die unbeirrt und konsequent im Sinne der Maßgaben durch den Parcours der Integration hindurch gehen, sollen die Güte der deutschen Gesellschaft erfahren dürfen. Die Bestrebungen der MigrantInnen sich zu integrieren, können deshalb nur als Sisyphos-Tätigkeit bezeichnet werden. Ein never ending Loop des »Und ewig grüsst das Murmeltier« - Aber das ist nicht unser Song und nicht unser Film!
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Einbürgerung - automatisch und nur auf dem Silbertablett!
No Integration - Kampf um kollektive Rechte anstatt Privilegien!
kanak attak | 2005
Der ausführliche Text
contributor - am Mittwoch, 15. Juni 2005, 10:02 - Rubrik: Faelschungen und Camouflagen