Wahrheit als Bedrohung
heißt die Überschrift auf den Online-Seiten der ZEIT
Dabei werden The Yes Men als "Aktionskünstler" etikettiert: Sie "treiben ihr unglaubliches Spiel mit der Wahrheit am liebsten in den Zentren der ökonomischen Macht".
Der Artikel beschreibt wie Kommunikationsguerilla à la Yes Men funktioniert:
Zeitgenössischer Polit-Aktivismus, wie ihn Greenpeace oder Attac betreiben, hat viel vom Theater und der Aktionskunst gelernt.
(...)
The Yes Men, die Ja-Sager, gehen anders vor. Auch sie leisten Performances und agieren in besonderen Situationen, aber sie belehren nicht, sondern sind geradezu übereifrig in ihrer Anpassung an die Sprache und die Bilder ihres Publikums. Die Powerpoint-Präsentation beispielsweise hatten sie aus Cliparts zusammengestellt, die Microsoft online zur Vortragszwecken bereitstellt. Wenn die Bildchen und Schlagwörter auf der Projektion reinschweben oder -flitzen, sind das ebenfalls Standardeffekte des Programms. Waren also die Übernahme der Gepflogenheiten - die Präsentationsweise, der Redestil, das Auftreten - so perfekt, dass den professionellen Zuhörern die drastischen Inhalte entgingen oder entgehen mussten?
(...)
Die Frage, ob und wie Kunst politisch oder Politik kunstvoll sein kann, ist im 20. Jahrhundert immer wieder gestellt worden und von den totalitären Regimes in Deutschland und Russland erschreckend klar beantwortet worden. Kunst wurde hier zum Mittel der Indoktrination, der psychologisch untermauerten Einschwörung auf die herrschende Ideologie, und zur eindringlichen Gestaltung von politischen Akten. Wenn die Distanz zum politischen Inhalt fehlt, wenn das Nachdenken der eigenen Position ausbleibt, so läuft politische Kunst immer Gefahr, einfach einer Sache zuzustimmen oder bloß moralinsauer den Zeigefinger gegen sie zu erheben. Das haben The Yes Men ausführlich bedacht und daraus eine komplizierte politische Kunststrategie aus Täuschung, Überaffirmation (übertriebener Zustimmung), Distanznahme, Dokumentation und Distribution (Verbreitung) entwickelt. Nach der Aktion während der Londoner Konferenz bleiben das treffliche Symbol Gilda sowie die Video- und Fotodokumente des Vortrags Zerrspiegel der wahnsinnigen Logik, die für die meisten von uns unsichtbar hinter verschlossenen Türen wirkt, dafür aber den Lauf der Welt maßgeblich bestimmt. Alles lässt sich auf der Homepage genau nachvollziehen. Als Spiegelbilder finden die Aktionen aber auch - das ist fast klassisch - zurück in die Kunstausstellungen.
Tja, also doch mal wieder die Heimholung in die Kunst. Schön, dass die Praxis sperriger ist ...
heißt die Überschrift auf den Online-Seiten der ZEIT
Dabei werden The Yes Men als "Aktionskünstler" etikettiert: Sie "treiben ihr unglaubliches Spiel mit der Wahrheit am liebsten in den Zentren der ökonomischen Macht".
Der Artikel beschreibt wie Kommunikationsguerilla à la Yes Men funktioniert:
Zeitgenössischer Polit-Aktivismus, wie ihn Greenpeace oder Attac betreiben, hat viel vom Theater und der Aktionskunst gelernt.
(...)
The Yes Men, die Ja-Sager, gehen anders vor. Auch sie leisten Performances und agieren in besonderen Situationen, aber sie belehren nicht, sondern sind geradezu übereifrig in ihrer Anpassung an die Sprache und die Bilder ihres Publikums. Die Powerpoint-Präsentation beispielsweise hatten sie aus Cliparts zusammengestellt, die Microsoft online zur Vortragszwecken bereitstellt. Wenn die Bildchen und Schlagwörter auf der Projektion reinschweben oder -flitzen, sind das ebenfalls Standardeffekte des Programms. Waren also die Übernahme der Gepflogenheiten - die Präsentationsweise, der Redestil, das Auftreten - so perfekt, dass den professionellen Zuhörern die drastischen Inhalte entgingen oder entgehen mussten?
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Die Frage, ob und wie Kunst politisch oder Politik kunstvoll sein kann, ist im 20. Jahrhundert immer wieder gestellt worden und von den totalitären Regimes in Deutschland und Russland erschreckend klar beantwortet worden. Kunst wurde hier zum Mittel der Indoktrination, der psychologisch untermauerten Einschwörung auf die herrschende Ideologie, und zur eindringlichen Gestaltung von politischen Akten. Wenn die Distanz zum politischen Inhalt fehlt, wenn das Nachdenken der eigenen Position ausbleibt, so läuft politische Kunst immer Gefahr, einfach einer Sache zuzustimmen oder bloß moralinsauer den Zeigefinger gegen sie zu erheben. Das haben The Yes Men ausführlich bedacht und daraus eine komplizierte politische Kunststrategie aus Täuschung, Überaffirmation (übertriebener Zustimmung), Distanznahme, Dokumentation und Distribution (Verbreitung) entwickelt. Nach der Aktion während der Londoner Konferenz bleiben das treffliche Symbol Gilda sowie die Video- und Fotodokumente des Vortrags Zerrspiegel der wahnsinnigen Logik, die für die meisten von uns unsichtbar hinter verschlossenen Türen wirkt, dafür aber den Lauf der Welt maßgeblich bestimmt. Alles lässt sich auf der Homepage genau nachvollziehen. Als Spiegelbilder finden die Aktionen aber auch - das ist fast klassisch - zurück in die Kunstausstellungen.
Tja, also doch mal wieder die Heimholung in die Kunst. Schön, dass die Praxis sperriger ist ...
contributor - am Montag, 17. Juli 2006, 12:12 - Rubrik: Fake