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Im Feuilleton der NZZ (4.2.09 / nicht online) findet sich eine interessanter Artikel über das Schuhwerfen als politisches Handeln. Neben kulturanthropoligischen Basics (die im Zuge des Abschiedswurfes landauf landab kommuniziert wurden), berichtet die Autorin über die Nachahmer - und am Ende wirds dann unklar, wie's gemeint ist: Hämisch, Analystisch oder indifferent? Wir würden die Sache unter der Kategorie "Weiche Waffen" verbuchen. Und werte NZZ, der Ohnmacht muss nicht immer ohnmöchtiges Handeln folgen:

Mit «geschwärztem Gesicht, einem Strick um den Hals sowie einer Halskette aus Schuhen» solle er durch die Städte Indiens getrieben werden: So wütete ein sunnitischer Religionsgelehrter gegen den Gründer der Ahmadija, einer im 19. Jahrhundert hervorgetretenen Glaubensgemeinschaft mit islamischen Wurzeln, die orthodoxen Muslimen dennoch Anathema ist. Die zweckentfremdete Fussbekleidung als Schandmal hat in der islamischen Welt Tradition - und erfährt im globalen Zeitalter trotz allen Konfrontationen zwischen Ost und West derzeit offenbar eine Renaissance. Initiiert hat diese der irakische Journalist Muntadhar az-Zaidi, der am 14. Dezember sein Schuhwerk in Richtung des amerikanischen Präsidenten pfefferte und dafür in der ganzen arabischen Welt gefeiert wurde - Muammar Ghadhafis Tochter verlieh ihm eine Ehrenmedaille, in Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit wurde gegen Ende Januar eine bronzene Schuhskulptur von moderater künstlerischer Anmutung enthüllt, aber bereits nach zwei Tagen wieder abgeprotzt.

Doch az-Zaidis Beispiel hat über die Grenzen des arabischen Kulturraums hinaus Schule gemacht: Sowohl postalisch wie auch mit direkten Wurfaktionen wurde der aus dem Amt scheidende George W. Bush mit einer unerwünschten Musterkollektion von Schlappen, Stiefeln, Turnschuhen und Pumps eingedeckt, im Internet durfte jeder, der mochte, sich in der neuen Disziplin erproben. Anti-WEF-Demonstranten haben sich vor der Basler UBS ihrer (so nehmen wir an) aus der Mode gekommenen Treter entledigt, und am Montag wurde nun auch der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao während einer Rede in der Universität Cambridge Opfer einer Schuhattacke.

Wer Abdelrachman Munifs «Salzstädte» kennt - den ersten Teil der grossartigen Pentalogie über den Aufstieg des Wüstenstaats Saudiarabien zur Ölmacht -, der weiss freilich, dass der Schuh buchstäblich auf den Schützen zurückfallen kann. In einer unvergesslichen Szene bombardieren dort die als Bau- und Hafenarbeiter rekrutierten, in stickige Baracken gepferchten Beduinen die glutheissen Wellblechdächer ihrer Unterkünfte mit Schuhen, die als schmutziger Regen der Schmach umgehend auf sie selbst niedergehen. Der Schuhwurf - das wäre von Munif zu lernen - kann nicht nur Ausdruck der Geringschätzung sein, sondern auch Symbol der eigenen Ohnmacht.
 

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