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Aus dem Schwäbischen Tagblatt (17.03.2006):
erfahren wir, dass nicht alle auf den Kopf gefallen sind. Zur "Aufklärung" beigetragen haben dürfte nicht zuletzt eine Anzeige gegen die Kampagne "Du bist Deutschland" - aber ob die Tübinger und Stuttgarter Staatsanwaltschaft überhaupt aufklärbar ist, lässt sich mit Fug und Recht bezweifeln:


Ein Freispruch erster Klasse

Tübinger Landgericht entscheidet in der Berufung: Durchgestrichenes Hakenkreuz ist nicht strafbar


TÜBINGEN. Auch der Oberstaatsanwalt lenkte ein: Freispruch für den jetzt 22-jährigen Studenten, der beim Maisingen 2005 mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz demonstriert hatte. Das Tübinger Landgericht hat gestern seiner Berufung stattgegeben: Im November hatte das Amtsgericht gegen ihn, wie berichtet, wegen „Verwendung von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation“ eine Verwarnung unter Strafvorbehalt ausgesprochen. Die Tübinger Staatsanwaltschaft akzeptiert den Freispruch - und will bis zu einer „obergerichtlichen Klärung“ solche Buttons hier nicht mehr ahnden (siehe das ÜBRIGENS).


Das Amtsgerichtsurteil löste ein bundesweites Medienecho aus. Insbesondere die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ging seither in ähnlichen Fällen rigide vor, bestätigt von Staatsschützern am Stuttgarter Landgericht. In Tübingen bekam ein anderer Fall Präzedenz-Charakter. Das hiesige Landgericht entschied zum Jahreswechsel: Der Faire Kaufladen darf derartige Buttons verkaufen, denn deren ablehnende Haltung sei eindeutig.

Die gestrige Berufungsverhandlung wurde wegen des Andrangs in den Schwurgerichtssaal verlegt. Der 22-Jährige studiert in Tübingen Politik und Geschichte mit Schwerpunkt Nationalsozialismus. Den Button hatte er auf einem Ostermarsch gekauft. „Ich hatte ihn die ganze Oberstufe am Rucksack. Mir war nicht klar, wie man das missverstehen kann.“ Laut Anwalt Burkhard Gaedke malte in der NS-Zeit Widerständler Hans Scholl durchgestrichene Hakenkreuze auf Wände - damals eine eindeutige Aktion. Gaedke mutmaßte: „Teile der Justiz besinnen sich auf ihre schlechte Tradition. Hier wird versucht, die zu kriminalisieren, die offen gegen Nazis auftreten.“

„Auch wir Staatsanwälte lernen im Verfahren. Nicht jede plakative Äußerung ist glücklich und hilfreich“, meinte Oberstaatsanwalt Michael Pfohl. Er hatte sich in erster Instanz um japanische Touristen gesorgt, die solche Symbole missverstehen könnten. Pfohl pochte aber auf die Absicht des Paragraphen 86a Strafgesetzbuch: Dieser solle verhindern, dass sich NS-Symbole wieder einbürgern. „Eine Gratwanderung, die Grenzziehung ist problematisch.“ Denn die rechtsradikale Szene sei sehr variabel, greife solche Urteile auf. Doch die Tübinger Staatsanwaltschaft halte sich an die („sehr optimistische“) Entscheidung zum Fairen Kaufladen, bis die Rechtslage geklärt sei. Das wolle man in einem Stuttgarter Verfahren am Oberlandesgericht. Mittlerweile sehe auch die Landes-Generalstaatsanwaltschaft, dass unterschiedliche Auffassungen vertretbar seien. Im Fall des Studenten beantragte Pfohl wie der Verteidiger Freispruch.


Warnend, nicht werbend
Die Strafkammer folgte. "Es gibt Auslegungsprobleme", so Richter Helmut Hille-Brunke. Doch hier müsse man das durchgestrichene Hakenkreuz "eindeutig im ablehnenden Sinn verstehen". Es solle damit "nicht geworben, sondern gewarnt werden". Mancherorts weisen Behörden darauf hin, solche Protestformen seien nicht strafbar" was für den Beschuldigten sprach: "Selbst wenn er sich vorher erkundigt hätte, hätte er abweichende Auskünfte erhalten."

Nach Ansicht der Kammer ist Paragraph 86a nicht eindeutig - etwa bei Verfremdungen, Abweichungen, Karikaturen. Es sei freilich sinnvoll, Hakenkreuze aus dem öffentlichen Leben zu verbannen - zumal die rechte Szene erfindungsreich vorgehe. Abschließend richterliches Lob für den engagierten Studenten, der unter Beifall den beschlagnahmten Button wieder in Empfang nahm.

INFO Vorsitzender Richter: Helmut Hille-Brunke; Schöffen: Reinhard Bott, Anton Hellstern; Oberstaatsanwalt: Michael Pfohl; Verteidiger: Burkhard Gaedke.




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